SY "NYALA"-GER 8644

 

02.08.2025 Der höchste Punkt im Kanal ist überschritten

Donnerstag, 31.07.:

Unser Plan, mit der ersten Schleusung weiter aufwärts Richtung Ljungsbro zu gelangen geht heute morgen leider nicht auf. Ein paar andere Boote haben sich vor uns an der Scnleuse aufgereiht. Wir hätten zwar noch irgendwie mit in die erste Schleuse gepasst, hätten dazu aber Fender und Leinen umbauen müssen. Da warten wir lieber ein wenig und nehmen die zweite Schleuse. Ein Fehler, wie sich später herausstellt, weil wir nach dem Passieren der ersten Doppelschleuse den hinter uns kommenden Kanaldampfer „Wasa Lejon“ überholen lassen müssen.

Von Berg Övre aus gilt es zunächst vier Doppelschleusen zu passieren, bevor es dann längere Zeit durch gewundene und enge Kanalabschnitte mit gefühlt ungezählten Straßenbrücken geht, die größtenteils direkt hinter kaum einsehbaren Kanalbiegungen liegen. Meist gelingt das Aufstoppen aber auch ohne eingelegten Rückwärtsgang noch.

In Borenshult müssen wir ebenfalls eine halbe Stunde warten, bevor wir in die handbediente Schleuse vor dem viel fotografierten „Göta Hotell“ einfahren dürfen. Die nächste Wartezeit ergibt sich dann nach der Querung des Borensees – wie immer bei Flaute unter Motor - vor der Schleusentreppe in Borensberg. Als wir im Vorhafen der Schleuse festmachen, wird eine einzige Yacht hochgeschleust, die sich gerade in zweiten von fünf Kammern befindet. Im Anschluss wird ebenfalls eine einzige Motoryacht runtergeschleust, bevor dann um 17:15 Uhr drei und zwei Yachten aufwärts geschleust werden.

Um viertel nach sechs sind wir oben, aber noch nicht am Tagesziel, das eigentlich der am Vätternsee gelegene Hafen von Motala sein sollte. Da nun aber „Feierabend“ im Kanal ist, kommen wir nur bis zur Motala-Verkstad, einer sehr schönen alten Industriebrache. 

Motala Verkstad war mal einer der größten schwedischen Arbeitgeber mit einer unglaublichen Fertigungstiefe. Hier wurden Schiffe, Kräne, Brücken, Lokomotiven, Kühlschränke, aber auch medizinisches Gerät gefertigt. Bis vor zwei Jahren gab es dazu ein schönes  und sehr informatives Industriemuseum, was aber wohl nach einem Hochwasser geschlossen wurde.

Nach dem Anlegen vor dem Verkstad-Gebäude machen wir einen kleinen Landgang auf die andere Kanalseite und treffen im Café Malboden Netti und Wim, unsere Schleusenkumpanen der letzten beiden Tage. Wir essen eine Kleinigkeit zusammen und nehmen bei uns an Bord noch einen Absacker.Die beiden wollen morgen nach Vadstena, wir mit einem Zwischenstop in der Marina Motala weiter nach Forsvik. 

Wir hoffen die beiden äußerst sympathischen Holländer, die ihren ständigen Liegeplatz in Sonderborg – und nicht wie zu erwarten in Zeeland oder am Ijsselmeer – haben, nochmals im Kanal zu treffen. Auch heute haben wir wieder vierzehn Schleusen und elf Brücken „abgehakt“, jetzt kommt nur noch eine Bergschleusung in Forsvik, dann geht es wieder bergab.


Freitag, 01.08.:

Heute sieht es nach Regen aus, den aber noch kein von uns gesehener Wetterbericht prognostiziert. Ich bin nicht sicher, ob ich dem Wetterbericht oder meinen Augen trauen sollte und entschließe mich schließlich für die zweite Option. Deshalb mache ich mich um acht Uhr mit dem Fahrrad auf den Weg zum Supermarkt, um für die nächsten Tage ein paar Dinge einzukaufen.

Zurück an Bord meldet Nici, dass sie sich wohl gestern einen Magen-Darm-Infekt eingefangen hat. Trotzdem laufen wir um kurz vor neun aus, passieren ein paar Brücken und die Niveauschleuse in Motala und sind nun im Vätternsee angekommen.
Die Mädels machen einen kurzen Stadtrundgang; wie zu erwarten sind sie nicht begeistert von Motala. 

Anschließend gehen wir gemeinsam in das kleine, aber feine und sehr schön arrangierte Motor-museum, wo ein Privatmann nicht nur eine beeindruckende Oldtimer- und Motorensammlung, sondern auch ein Hotel betreibt. Die Mädels sind begeistert von so viel Nostalgie und freuen sich, dass ich sie in das Museum gelockt habe.

Um viertel vor zwölf laufen wir wieder aus und müssen auch den Vätternsee – wen wundert es wohl – wegen Flaute erneut unter Maschine queren. Auf der Westseite des Sees müssen wir in Carlsborg eine Viertelstunde vor der Straßenbrücke warten, bevor wir weiter Richtung Forsvik tuckern können.

Nun beginnt der (jedenfalls aus meiner Sicht) schönste Teil des Kanals. Die Schleuse in Forsvik ist die größte und älteste des Kanals und hat leider keine gemauerten Wände, sondern furchtbar rauhe, gesprengte Wände. Hier und da gibt es tiefe Kuhlen und spitze Grate in der Wand, an denen die Fender beim Aufschleusen hängenbleiben oder sogar aufgeschnitten werden könnten.

Zum Glück sind wir ganz allein in der Schleuse und können uns daher eine halbwegs günstige Position an der rauhen Wand aussuchen. Außerdem ist der Schleusenmeister einer von der eher vorsichtigen Sorte und erspart uns mit langsamen Füllen der Schleuse Schweißperlen und Sorgenfalten auf der Stirn.

Nach dem Auslaufen aus der Schleuse kommt ein wirklich enges und gleichzeitig gewundenes Kanalstück mit Holzleitbalken, an denen die Passagierschiffahrt offensichtlich regelmäßig längsschrammen. Ich ziehe still den Hut vor den Kapitänen der Kanaldampfer und freue mich, dass wir auf beiden Seiten wenigstens einen halben Meter Platz haben.
Just während der Passage dieser Engstelle ruft Nici’s Bruder an, um mit Nici den Beisetzungstermin für ihren gestern friedlich entschlafenen Vater abzustimmen. Nicht gerade der passendste Moment für eine schnelle Entscheidung.

Die Teilnahme an der Beisetzung, die mir sehr am Herzen liegt, ist logistisch durchaus eine Herausforderung, weil wir – sobald der Termin feststeht – von irgendeinem Hafen aus nach Hause müssen. Dabei muss der Hafen so ausgewählt werden, dass man sein Boot auch bei schlechtem Wetter für mindestens drei Tage unbeaufsichtigt liegen lassen kann, eine möglichst gute Verkehrsanbindung zum Flughafen (möglichst mit Direktflügen nach Düsseldorf) hat und last but not least sollte der Hafen auch in die Terminplanung des restlichen Törns passen sollte.

Da Nici’s Angehörigen gerade beim Bestatter sind, benötigen sie eine möglichst sofortige Entscheidung. Ich sage zu, dass wir das schon irgendwie hinbekommen. Gleichzeitig beginnen sich in meinem Hirn die Zahnräder zu drehen.

Welche Flughäfen kommen in Frage? Göteborg scheidet wahrscheinlich aus, weil wir dann schon weiter südlich sein wollen. Ålborg liegt eigentlich zu weit ab von unserer Route und bietet keine Direktverbin-dungen, auch Århus ist nicht wirklich ideal, bleibt eigentlich nur Kopenhagen übrig.

Der Nachteil von Kopenhagen ist, dass wir dann einen ziemlich großen Umweg über Mön fahren müssen, weil wir mit der „NYALA“ nicht durch den Bogestrøm passen, weil eine Durchfahrt mit unserem Tiefgang nur bei sehr hohem Wasserstand möglich wäre.

Die richtige Entscheidung benötigt Zeit, um eine sorgfältige Abwägung aller Vor- und Nachteile treffen zu können. Die Alternativroute sieht weniger Hafentage an der westschwedischen Küste, in Skagen und auf Anholt vor, und verlagert die Route vom großen Belt in den Öresund und das Smålandsfahrwasser südlich von Seeland.

Abends grillen wir auf dem Steg Dorschfilets und Rinderspieße, dazu gibt es Backofenkartoffeln und Salat. Während der Zubereitung poliert Marta die beiden durch das Vorbeischrammen an einem Schleusentor schwarz gewordenen Fender wieder sauber und ich den Rumpf.

Zum Essen trinken die Mädels ein wenig Wein, der bei beiden seine Wirkung tut....



Sonntag, 02.08.:

Heute steht der landschaftlich schönste, teilweise aber auch anspruchsvollste Teil der Kanalpassage an. Direkt nach dem Auslaufen müssen wir zunächst den Billströmen, dann den Spetnäskanal passieren. Beide Teile sind nur 12 m breit und in den Granit gesprengt, hier können sich nicht einmal Sportboote begegnen.

Wegen der Enge müssen vor der Einfahrt in diese Nadelöhre Schallsignale mit dem Horn gegeben werden. Westgehend zwei- bzw. dreimal lang, ostgehend zweimal lang, einmal kurz bzw. im Spetnäskanal einmal lang. Ostgehender Verkehr hat Vorrang vor westgehendem.

Da ich mein Handnebelhorn nicht finde, muss ich per Trial-and-Error herausfinden, wie die Nebelhorn-Funktion meines – mit dem Horn an der Saling  gekoppelte – UKW-Funkgerätes betätigt wird, was zum Glück schnell geht.

Problemlos passieren wir die Engstellen, fahren über den wunderschönen Vikensee und kommen schließlich zur Schleuse Tåtorp, wo es zum ersten Mal abwärts geht. Kein Vergleich zu dem doch anspruchsvollen Aufschleusen; kein wild einströmendes Wasser mit Gischt bis ins Cockpit, keine unter viel Last stehenden Leinen, kein Stress. Das Wasser strömt friedlich aus der Schleuse und man kann einfach weiterfahren. Prima!

Wider Erwarten kommen wir auch in Töreboda zur richtigen Zeit an und können ohne Wartezeit die Eisenbahnbrücke und die Straßenbrücke, die nur stündlich (aber nicht um 12, 13 und 16 Uhr) öffnet, passieren. Statt wie geplant im recht öden Töreboda zu übernachten, fahren wir noch bis Hajstorp, nur wenige Kanalkilometer weiter, und machen dort fest. Wieder ein sehr friedlicher und gemütlicher Ort, diesmal aber mit Strom, Wasser und Dusche….




30:07:2025 Utö - Berg: Die ersten Tage im Göta-Kanal

Montag, 28.07.:


Um fünf Uhr klingelt der Wecker, um halb sechs ziehen wir uns ohne die laute Hilfe des Bugstrahlruders – was wir bei der vorherrschenden Flaute ohnehin nicht benötigen – aus unserer Box und holen Hand über Hand den etwa fünfundzwanzig Meter hinter dem Heck ausgelegten Heckanker auf, an dem ein übel zäher Schlick hängt, der nur schwer mit Wasser und Schrubber zu beseitigen ist. Als wir fertig sind sehen unsere Klamotten und das Cockpit aus wie nach einer Runde Schlammcatchen. Ab in die Waschmaschine mit den Klamotten und dann unter die Dusche und den Schlauch ins Cockpit.

Den ganzen Tag über weht der Wind nur mit maximal fünf bis sechs Knoten, meist aber nur mit weniger als vier Knoten und die auch noch aus nördlichen Richtungen. Da die Wettervorhersage ja für morgen miserabel ist, entschließen wir uns, nicht nach Arkösund, sondern gleich bis Mem zu fahren.

Kurz jagt mir der Autopilot einen Schreck ein, der – immer wenn man die Wegepunktsteuerung aktiviert – statt auf den nächsten lieber auf den letzten Wegepunkt zurückhalten möchte. Aber es liegt nicht am Autopiloten, sondern ausschließlich an meiner eigenen Dummheit. Einfach am Plotter „Wegepunkt überspringen“ klicken und schon klappt alles wieder.

Nach zwölf Stunden Motorfahrt machen wir kurz an der Bootstankstelle in Stegeborg fest, wo wir unserem braven Jockel nochmal 76 Liter „biofreien Marinediesel“ gönnen, damit er uns auch möglichst mit dieser Tankfüllung bis Göteborg schieben kann.
Kurz vor dem Tankstopp hat uns ein komisch aussehender Motorkahn namens „Ocean Seeker“ mit gewaltiger Hecksee so knapp überholt, dass wir so richtig durchgerüttelt wurden. Bei den beiden vor uns fahrenden Schweden nimmt der Kutscher von dem Ungetüm deutlich Gas weg und hält mehr Abstand.

Wir treffen ihn nach dem Anlegen in Mem wieder, wo der Mistkerl schon die erste Schleuse passiert hat. Ich frage nach dem Kapitän und bedanke mich bei ihm für das „rücksichtsvolle“ Überholmanöver und die ungleiche Behandlung seiner Landsleute. Dafür hat er nur ein höhnisches Lachen übrig. Was für ein Arschloch!


Dienstag, 29.07.:

Der Götakanal empfängt uns mit strömendem Regen. Schon in der Nacht bin ich aufgestanden um die Luken bis auf einen Spalt zu schließen und bei Marta, die tief und fest schlief, zumindest das Fenster über dem Kleiderschrank zu schließen, durch das es reinregnete.

Wir beschließen, nach dem Frühstück nach Söderköping zu verholen, weil wir dort erstens besser liegen und zweitens einkaufen können. Nach dem Frühstück checke ich beim Kanalkontor ein, erhalte unsere Unterlagen und bereits um 09:15 Uhr fahren wir in die erste Schleuse des diesjährigen Kanaltrips.

Bis Söderköping sind es noch zwei weitere Schleusen, die bei meinen Ladies schon einen sehr deutlichen Fortschritt in den Manöverabläufen bringen. Die Damen sind stolz auf sich selbst und ich bin stolz auf die Damen, auch wenn noch nicht alles perfekt rundläuft; aber wir haben ja auch noch 55 Schleusen zum Üben…

Am frühen Nachmittag hört der Dauerregen zum Glück auf, wir können endlich auch an Landgang denken. Vorher möchte ich aber noch unseren letzten – noch nicht aufgepumpten – Fender finden, den wir irgendwo auf dem Boot versteckt haben. Nici vermutet ihn unter dem Kopfende unserer Vorschiffskoje oder aber in der Segellast. Ich glaube, dass wir ihn (wie auch seinen Kollegen) in die begehbare Backskiste gestaut haben.

Beide Vermutungen sind falsch. Nach schweißtreibender Suche überlegen wir, wo das Ding sonst noch sein könnte und irgendwann fällt Nici ein, dass sie den Fender unter Martas Koje verstaut hat. Immerhin ist er da.

Die Mädels machen ein wenig Shopping, während ich mich über die Details der beiden nächsten Tagesetappen belese. Außerdem essen wir ein Eis und gehen am Abend im Kanalkrogan – vis a vis von unserem Liegeplatz. Das Essen ist zwar schmackhaft, die Portionen ähneln aber eher Kindertellern, nichts für reelle Macker…


Mittwoch, 30.07.:


Heute lacht wieder die Sonne vom Himmel und lässt uns um 08:45 Uhr mit bester Laune in unseren zweiten Kanaltag starten. Die Wartezeit vor der ersten Brücke ist kurz, in unserem Kielwasser folgen vier Segelyachten, von denen drei unsere potentiellen „Schleusen-Kumpanen“ des heutigen Tages werden.

Wir legen als erste Steuerbord vorn in der Schleuse an, neben uns macht die etwa achteinhalb Meter lange „Jütte“ (Name geändert) fest bzw. versucht es. Das zum Boot gehörige „Personal“ bestehend aus dem Eigner und seiner Frau hat die Lage überhaupt nicht im Griff, verheddert sich ständig in viel zu langen Leinen, belegt diese viel zu weit auseinander und ist weder in der Lage einen Palstek zu machen, noch die Achterleine ordentlich zu belegen, geschweige denn die Vorleine ordentlich steif zu halten.

Ständig motzt der Skipper sein Kahnweib an, obwohl dieses überwiegend gar nicht an den Fehlern des Alten beteiligt ist. Nach drei Schleusungen geht uns das von den beiden verzapfte Chaos so auf den Wecker, dass wir beschließen im Asplangen-See das Weite zu suchen, was zum Glück auch gelingt. „Jütte“ und die beiden anderen Schleusenpartner fallen zurück und schon in der nächsten Schleuse liegt nur noch ein schwedisches Motorboot mit einer sympathischen Familie hinter uns. Wir sind heilfroh, die Chaoten los zu sein.

In Norsholm biegt die Motorquatze ab, um Diesel zu bunkern. Nach Passieren der Niveau-Schleuse Norsholm nebst der zugehörigen Eisenbahnbrücke geben wir etwas mehr Gas und erreichen um 16:30 Uhr den Fuß der Carl-Johann-Schleusentreppe in Berg. In der fünften Stufe liegen zwei Segler, die bergwärts schleusen.

Wir setzen Marta ab, damit sie sich beim Schleusenmeister erkundigen kann, ob wir – trotz vorgerückter Stunde - noch die siebenstufige Schleusentreppe aufwärts geschleust werden. Kein Problem, aber erst müssen die beiden Segler ganz hoch, dann ein Motorboot runter und erst dann sind wir dran.

Diesmal ist ein holländisches Pärchen mit einer Thurö 34 neben uns, weil eine viel schmalere Rethana 27 (ein furchtbar hässliches Boot in mäßigem Pflegezustand) partout nicht an Backbord festmachen will. Die Thurö und wir passen gerade so nebeneinander in die Schleuse. Auch die Besatzung der Rethana aus Franken ist nicht gerade besonders geschickt im Umgang mit den Leinen, auf dem Brombachsee gibt es ja auch keine Schleusen…

Um 19:00 Uhr haben wir nach zehn Stunden, sieben Brücken, 19 Schleusen und nur 27,5 Seemeilen den „Berg“ erklommen und hatten keine nennenswerten Problemchen, geschweige denn ernsthaft haarige Situationen. Die Crew ist mittlerweile sehr gut eingespielt, was ich super finde.



27.07.2025 Stockholm - Utö

Freitag, 25.07.:

Heute ist seit zwei Monaten der erste (und einzige) Tag, an dem ich auf der gesamten Reise allein an Bord sein werde. Ich kann es ruhig angehen lassen, schlafe mich gründlich aus, frühstücke in Ruhe, räume ein wenig unter Deck um und putze auch die ein oder andere Ecke.

Am frühen Nachmittag kommt Oskar von UK Sails vorbei, der das Großsegel repariert hat. Endlich sieht das Kopfbrett so haltbar aus, wie ich mir das vorgestellt hatte. Eine große Anzahl Nieten hält das Segel zwischen den Kopfbretthälften aus Aluminium an seinem Platz, dazu hat Oskar noch drei kräftige Gurtbandverstärkungen angebracht. Das sollte länger halten als der Rest des Segels.

Weiterhin hat er alle sanduhrförmigen Kunststoffbüchsen der Zwischenrutscher mit schmalerem Gurtband so fest eingenäht, dass diese nicht mehr von allein herausfallen sollten, diverse kleinere Macken mit passendem Reparaturtape verstärkt, schwarze (statt weiße) Salingpatches aufgeklebt und schicke keilförmige Patches zum Kaschieren der in Mariehamn aufgenähten Patches und einiges an Flickzeug für alle Fälle mitgebracht.

Auch Oskar scheint ein Typ mit Format zu sein, wir verstehen uns auf Anhieb prima und arbeiten zusammen wie ein gut geöltes Uhrwerk. Die Kosten für seine Arbeit übernimmt der Herstellerbetrieb des Segels in der Türkei, die den Mist verbockt haben.

Abends beehrt mich Gustav von der „Moyenne“, einer Sirius 35 DS. Gustav hat mit einer vierköpfigen Crew an der Midsummersail teilgenommen. Bei ihm lief es nicht so gut mit der Crew, schlussendlich war er der letzte Teilnehmer, der aufgegeben hat, weil er das Zeitlimit nicht mehr geschafft hätte. Trotzdem hat er auf der gelben Tonne in Törehamn gestanden und ist allein von Lulea nach Stockholm gesegelt, was ich sehr beachtlich finde.

Gustav ist gelernter Koch, hat selbst mal ein Hotel geleitet und ist inzwischen selbständiger Berater in der Hotelbranche. Seine Geschichten aus seiner Berufspraxis sind spannend, machen aber teilweise auch sehr nachdenklich. Offenbar gibt es viele Menschen, die vom Betrieb eines Hotels träumen, aber keinerlei Erfahrung in der Branche gesammelt haben. Da fast immer Immobilien zum Betriebsvermögen gehören, gewähren die Banken hohe Kredite, obwohl fast klar ist, dass die Möchtegern-Hoteliers scheitern werden. Gustav ist dann manchmal die letzte Rettung.

Zuerst essen wir im Restaurant des „Spritmuseums“ ein mittelmäßiges Steak, dann trinken wir bei mir an Bord ein paar Cola-Rum. Kurz nach Mitternacht kommt endlich auch Marta an, deren Flug erhebliche Verspätung hatte. 

Marta war schon im Vorjahr auf der „Kialoa“ von Trondheim nach Bergen dabei und hat sich dabei nicht nur gut, sondern perfekt bewährt. Die gebürtige Polin unterrichtet in Bremen Deutsch und ist ein ausgesprochen angenehmes Crewmitglied. Stets gut gelaunt, bescheiden und hilfsbereit war sie schon im letzten Jahr ein echter Gewinn an Bord. Ich bin sehr froh, dass sie wieder mit von der Partie ist.

Auch Marta nimmt noch zwei „Absacker“, bevor es nach einem langen Tag auf die Kojen geht.


Samstag, 26.07.:

Der Alkohol-Exzess von gestern führte zu einem erhöhten Schlafbedürfnis. Als ich um kurz nach acht – etwa zwei Stunden nach meiner „normalen“ Zeit wach werde, hat Nici schon mehrfach angerufen uns war wohl ein wenig angesäuert, dass ich nicht ans – lautlos gestellte – Telefon gegangen bin. Sie ist schon seit fünf Uhr auf den Beinen und hat erfolgreich auch den neuen 230 V-Backofen halbwegs handlich verpackt.

Nach einem ordentlichen Frühstück mit Rührei und Speck machen Marta und ich uns auf den Weg in die Stadt, um Nici am Bahnhof zu überraschen. Als sie anrief habe ich Ihr gesagt, dass ich einen Träger namens Carl für ihr Gepäck organisiert hätte, der sie mit einem Schild mit ihrem Namen drauf am Bahnsteig des Arlanda-Express in Empfang nehmen würde. Dass ich das selbst sein würde hat sie wohl nicht erwartet und ist dementsprechend überrascht, Marta und mich am Bahnhof zu sehen.

Marta begibt sich nach der ersten Begrüßung auf Touristen-Tour mit Gamla Stan, Königlichem Schloss, Nobel- und Wasa-Museum; Nici und ich fahren mit dem Taxi zurück zum Wasahafen, suchen einen Platz für den neuen Backofen und machen einen ausgiebigen Mittagsschlaf.

Zum Abendessen treffen wir – leider vorerst zum letzten Mal – Thomas und Fritzi von der „Marysol“, mit denen wir schon viel Spaß in den letzten drei Wochen hatten. Gemeinsam genießen wir im Wirtshaus „Ulla Winbladh“, einer ganz hervorragenden Adresse in der Nähe des Skansen-Freilichtmuseums ein fantastisches Abendessen. Gegen elf Uhr verabschieden wir uns von der „Marysol“-Crew und gehen auf die Kojen. Morgen wollen wir relativ zeitig los, um auf Utö möglichst noch einen ordentlichen Liegeplatz zu ergattern. Leider soll es wieder nur sehr leichten Wind und den auch noch zu einem erheblichen Prozentsatz der dreiunddreißig Seemeilen langen Reist dummerweise nur von vorn geben.


Sonntag, 27.07.:

Um viertel vor acht sind wir unterwegs. Wetterwelt hatte dummerweise Recht mit der Wetterprognose. Es ist zunächst sehr flau und als der Wind endlich zunimmt, kommt er aus südlichen Richtungen. Wir müssen die ganze Strecke motoren.

Als wir gegen vierzehn Uhr in den Hafen von Utö kommen, freue ich mich zunächst. Es ist gar nicht so voll wie ich dachte. Allerdings sind alle „guten“ Plätze auf der Ostseite des Hafens entweder schon belegt oder reserviert.

Wir machen dann auf der flacheren Westseite des Hafens mit Heckanker fest und haben Glück, dass wir einen der wenigen ausreichend tiefen Liegeplätze ergattern können. Nach dem Festmachen und Aufklaren gehen wir ins Dorf und besuchen den vielleicht 80 Quadratmeter großen „Supermarkt“, der aber recht gut sortiert ist. Wir konnten sogar eine Kastenform für unseren neuen Backofen erstehen, in dem Nici bereits unterwegs einen Stuten und ein Vollkornbrot gebacken hat.

Am späten Nachmittag hole ich mir die neueste Wetterprognose aus dem Internet und muss leider zur Kenntnis nehmen, dass wir auch morgen wieder mit Flaute zu rechnen haben. Es soll südliche, später südöstliche „Winde“ mit ein bis zwei, in Böen zwei bis drei Beaufort geben. Mist verdammter, schon wieder Motorfahrt! Trotzdem werden wir morgen einen langen Schlag machen müssen, weil es am Dienstag zumindest bis Mittag kräftig regnen soll.

Also steht für morgen Arkösund (55 sm) auf dem Programm. Am Dienstag haben wir dann nur noch 22 Seemeilen bis Mem und ein paar mehr bis Söderköping, wo wir dann hinwollen. Auslaufen ist für 06:00 Uhr geplant.

Während ich die Routen für die nächsten Tage in den Plotter „klöppele“, machen sich die Mädels zum Schwimmen auf der anderen Seite der Bucht auf. Es ist toll, wie sich die beiden Damen verstehen. Ich hatte von vorn herein ein sehr gutes Gefühl bei der Crewauswahl für den Göta-Kanal. Schön, dass ich mich nicht getäuscht habe.



24.07.2025 Saltsjöbaden - Stockholm

Mittwoch, 23.07.:

Sightseeing, Teil 2 steht für heute auf dem Plan. Wir stehen heute erst um halb sieben, für unsere Verhältnisse richtig spät, auf und beginnen den Tag mit einer ausgiebigen Dusche an Land, was inzwischen für uns eher die Ausnahme ist. Wir haben uns so an unsere Dusche an Bord gewöhnt, dass – wenn überhaupt – nur noch das etwas lästige Trockenputzen des Duschraums stört. Da wir aber beide sehr ordentlich sind, mögen wir darauf auch nicht verzichten, auch wenn man das vielleicht könnte.

Nach dem Frühstück fahren wir mit dem Bus wieder bis zur Station Slussen und steigen dort auf das Pendelfährboot nach Djurgarden um. Es hält direkt vor dem Tivoli, der allerdings nicht auf dem Programm steht. Zuerst statten wir dem Hafenmeister im Wasahafen einen kuren Besuch ab, um mit ihm zu klären, ob wir eventuell auch eine Nacht länger bleiben können, ohne zu verholen. Andernfalls müssten wir am Sonntag spätestens um 12 Uhr auslaufen. Da wird Nici aber noch nicht wieder zurücksein, die ich erst gegen 14 Uhr an Bord erwarte.

Unseren über www.dockspot.com reservierten Liegeplatz können wir leider nicht verlängern, man empfiehlt uns stattdessen schon morgen Vormittag zu kommen und dann eine freie „Drop In-Box“ zu nehmen, wo wir so lange liegen bleiben können wie wir mögen.

Danach stehen die Sehenswürdigkeiten Nummer zwei und zehn (Wasamuseum und Abba-Museum) auf dem Programm. Die „Entwicklung“ des Wasamuseums verfolge ich seit 1985 – da war ich zum ersten Mal in Stockholm -, im Abba-Museum war ich erst einmal vor ein paar Jahren mit meiner Exfrau und meinen Töchtern.

Die „Wasa“ beeindruckt mich auch beim vielleicht achten Besuch noch sehr, Nici ist völlig von den Socken. Wenn man sich den 18m hohen Spiegel bei einer Schiffslänge von über alles nur knapp 48m zwischen den Loten betrachtet, verwundert es wenig, dass dieses stolze Schiff bei mäßigem Wind schon auf seiner Jungfernfahrt nach weniger als einer Seemeile kenterte und sank.
Was jedoch mit der Bergung und Rekonstruktion des nach gut 300 Jahren gehobenen Schiffes geleistet wurde, ist schlichtweg fantastisch.

Leider ist es im Museum ziemlich voll und die vielen Menschen gehen uns ziemlich auf die Nerven. Trotzdem gehen wir – nachdem wir aus dem Wasamuseum herauskommen – gleich weiter zum Abba-Museum, wo wir gegen Mittag ankommen. Vor dem Museum steht eine hundert Meter lange Schlange! Alle paar Minuten gibt es eine Durchsage, dass das Museum für heute „fully booked“ sei und man bestenfalls nach 16 Uhr noch reinkommt.

Das sparen wir uns und machen uns wieder auf den Rückweg nach Saltsjöbaden, wo wir unsere gestern verpasste Mittagsstunde nachholen und uns Abends im Restaurant „Holmen“ eine Riesenportion Krabben und dazu zwei Glässer Bier bzw. Weißwein genehmigen. Auch wenn es mit Abba heute nicht geklappt hat, war es ein toller Tag. Nici ist ganz traurig, dass sie morgen – wenn auch nur kurz – abmustern muss.


Donnerstag, 24.07.2025

Bereits um 06:30 Uhr laufen wir frisch geduscht aus und verholen uns in den Wasahafen, wo wir tatsächlich einen wunderbaren Platz bekommen. Wieder klettert Nici auf den spindeldürren Fingersteg, um unsere Steuerbord-Achterspring auf Slip nehmen zu können. Diesmal fällt sie nicht ins Wasser, bekommt aber trotzdem einen nassen Hintern, weil die Auftriebskörper des Fingerstegs selbst ihre zarten 60 Kilo nicht tragen können.

Nach dem Festmachen und Einchecken frühstücken wir in Ruhe, lassen die Waschmaschine nochmal laufen und gehen dann, natürlich mit vorbestellten Karten und Termin erneut zum Abba-Museum. Wir haben eine Menge Spaß in diesem Museum, es ist unbedingt sehenswert. Eines der Mädels vor dem Eingang verspricht „If you are no Abba-Fan actually, you will be an Abba-Fan after passing the exit door.“ Sie hat wohl recht, wir waren es aber vorher schon.

Leider wird es nun Zeit mich für die nächsten zwei Tage von meiner Liebsten zu verabschieden, was wir an der Straßenbahnhaltestelle mit Knutschen und Winken erledigen. Reichlich kitschig und schmalzig vielleicht, aber uns war danach.

Auf dem Rückweg zum Boot denke ich nochmal über die letzte Etappe nach. Meine Sorge, dass uns die „NYALA“ zu zweit an unsere Grenzen bringen könnte, waren – auch Dank des guten Wetters – unbegründet. Wir haben zu zweit 580 Seemeilen zurückgelegt, von denen wir allerdings 194 Seemeilen motort haben, was überwiegend dem sehr schwachen Wind, zum kleineren Teil den Problemen mit unserem Autopiloten und dem schlecht verarbeiteten Großsegelkopf und den teilweise engen Schärenfahrwassern geschuldet war.

Von den ausführlich beschriebenen Problemen mit der Navigationselektronik und dem Großsegel mal abgesehen, gab es keinerlei erwähnenswerte Schäden oder Macken am Boot. Wir vertragen uns auch nach zwei Monaten ununterbrochenem Zusammensein auf engstem Raum hervorragend. Ich bin sehr glücklich darüber…


22.07.2025 Vaxholm - Saltsjöbaden


Montag, 21.07.:

Bereits um kurz nach sieben gehen wir im Coop und ergänzen unsere Proviantvorräte. Wir haben zwar noch einige Leckereien in der Kühlung, doch die Recherche nach nahegelegenen Supermärkten in Saltsjöbaden und Stockholm hat ergeben, dass es mehr Sinn macht schon heute Proviant zu kaufen.

Nach dem Frühstück machen wir uns ans Abschlagen des Großsegelvorlieks. Wir haben von UK Sails Schweden die Order erhalten das Segel gefaltet und ohne Latten beim Hafenmeister abzugeben. Beim Abschlagen sehe ich, dass auch das Vorliek aus meiner Sicht recht schlampig verarbeitet wurde. Die tonnenförmigen Kunststoffeinsätze, die mit einem Gurtband am Segel angenäht werden rutschen von allein raus, was nicht sein sollte. Auch das muss UK Schweden jetzt in Ordnung bringen. Sie haben auch schwarzes Klebedacron, mit dem ich die Reparatur des Achterliekschadens (mit weißem Tuch) kaschieren möchte.

Die Arbeiten am Segel haben uns beide ordentlich schwitzen lassen, doch für eine Dusche reicht die Zeit nicht mehr. Wir müssen zur Fähre, wo schon eine riesige Schlange am zugewiesenen Kaiplatz wartet. Als unsere Fähre kommt liegt noch eine anderes Ausflugsboot an „unserem“ Platz. Schweinerei!

Sofort antizipiere ich, wohin der Fährkapitän ausweichen kann, nehme Nici an die Hand und schon stehen wir in der absoluten Pole-Position. Das ist auch nötig, weil die Fähre schon jetzt überfüllt ist. Mit Mühe und Not ergattern wir wenigstens einen Sitzplatz. Nici möchte erstmal im Wind stehen bleiben, deshalb darf sich der alte Mann hinsetzen.

Beim zweiten Stop auf der Insel Grinda steigen so viele Menschen aus, dass es langsam ungefähr gleich viele Sitzplätze wie Passagiere gibt, einige Fahrgäste müssen aber immer noch stehen. Atemberaubend ist mit welcher Kaltschnäuzigkeit unser Kapitän wie eine Möwe in den Heringsschwarm in größere Gruppen von Seglern sticht.

Der Fährkutscher kennt keine Gnade, so meinen wir jedenfalls. Aber alles geht gut; nach knapp zwei Stunden haben wir unseren Bestimmungsort Sandhamn erreicht. Zunächst gehen wir zur „ Bootsaus-stellung“, dann nehmen wir einen leichten Lunch im „Sandhamn Värdshus“ ein, auf den wir leider über eine Stunde warten mussten.

Als unser Essen serviert wird, grabscht sich frech eine Tischnachbarin unser Essen, die ganz eindeutig deutlich nach uns kam. Auf meine Intervention, dass es sich bei den beiden schon servierten Tellern um unser Essen handelt, was auch schon bezahlt ist, backt die Lady endlich kleinere Brötchen und rückt die Teller wieder raus.

Der anschließende Verdauungsspaziergang durch die engen Gassen in Sandhamn, von denen keine geteert ist, gewährt uns einen Blick in längst vergessene Zeiten. Wir fühlen uns an „Ferien auf Saltkrokan“ und „Pippi Langsstrumpf“ erinnert, als wir die vielen liebevoll gepflegten Häuser und Villen aus Holz sehen. Das hatte mich schon 2023 total begeistert, deswegen haben wir den Ausflug nach Sandhamn letztlich gemacht.

Als wir gemütlich – und nur von ein paar lästigen Ameisen gestört – auf einer warmen Schäre liegen und über den Hafen blicken, beginnt dort der Kampf um die Liegeplätze. Wie hungrige Geier drehen etliche Segel- und Motoryachten, sich ständig gegenseitig belauernd, ihre Runden und hoffen auf auslaufende Yachten, die einen Platz frei machen. Die Jungs und Mädels von der Hafenaufsicht haben aber alles im Griff und dulden keine Drängeleien.

Unter den vielen Yachten fällt besonders ein langer Holzmast auf, der zu einem Zwölfer gehören könnte. Und richtig, es ist die deutsche „Anita“, ein Abeking & Rasmussen-Bau von 1936. Weil ich einen der Skipper ganz gut kenne (der leider gerade nicht an Bord ist) und im letzten Jahr an den Betreiberverein der „Anita“ für das Ausleihen der Norwegenkarten von meinem Bekannten eine Spende geleistet habe, dürfen wir auch mal einen Blick unter Deck werfen.Der Ausbau ist handwerklich gut gemacht, relativ gut im Schuss, aber Komfort gibt es auf einem Zwölfer – trotz einer Länge von mehr als zwanzig Metern nur rudimentär. Nici ist echt beeindruckt, so ein großes Boot hat sie noch nie von innen gesehen.

Bereits eine Stunde vor der Abfahrt unserer Fähre bildet sich wieder eine große Schlange. Wir haben wenig Lust auf das lange Stehen in der Schlange und schaffen uns aus zwei Europaletten, die am Anleger liegen,  einen halbwegs gemütlichen Sitzplatz, der uns sofort nach dem Anlegen in die Poleposition bringt.

Der Rest des Tages ist schnell erzählt. Brote zum Abendessen, eine Tüte Weingummi zum Nachtisch, noch schnell die Wassertanks vollgemacht und den Blog weitergeschrieben, dann geht es auf die Koje. Es war ein wundervoller Tag, den wir beide extrem genossen haben.


Dienstag, 22.07.:

Um viertel nach sechs Uhr sind wir die ersten Kunden an der Bootstankstelle, die junge Tankwärtin ist erstaunt, dass um die Zeit schon ein Deutscher unterwegs ist. Schnell sind 80 Liter EcoPar-Diesel auf beide Tanks verteilt und zweitausend Schwedenkronen dafür ausgegeben.

Bis Saltsjöbaden ist es nur ein Katzensprung an diversen Vororten von Stockholm vorbei. Neben vielen modernen Hochhaussiedlungen kommen wir auch an sehr pittoresken Ferienhäusern vorbei, in die wir am liebsten sofort einziehen würden.

Um viertel nach neun laufen wir an Restaurang-Holmen vorbei in den Hafen des Königlichen Segelclubs von Stockholm ein, wo uns zwei junge Hafenmeister sehr freundlich und hilfsbereit in Empfang nehmen. Sie fragen nach Länge, Breite und gewünschter Aufenthaltsdauer, überlegen kurz und weisen uns dann einen Liegeplatz direkt vor dem Hafenrestaurant „Holmen“ zu, was uns schon von Bernd Zeiger wärmstens empfohlen wurde.

Die Lage und des KSS Yachthafen ist wirklich exquisit, das Grand Hotel liefert die passende Kulisse dazu, wirklich toll!
Schnell ist unser Großsegel abgeschlagen, ordentlich zusammengefaltet und beim Hafenmeister deponiert. Oskar von UK Sails Stockholm holt es Mttwoch oder Donnerstag ab und bringt es nach der Reparatur spätestens am Freitag Nachmittag zum Wasahafen, wo wir ab Donnerstagmittag sein werden.

Ein Telefonat mit Nicis Bruder bringt keine guten Neuigkeiten. Mit ihrem Vater geht es wohl immer schneller abwärts. Nici ist hin- und hergerissen, ob sie nach Hause fliegen soll oder nicht. Ich rate ihr dazu, weil sie es sich selbst vielleicht nicht verzeihen würde, wenn sie es nicht tun würde. 

Wir beschließen, die Entscheidung auf den Nachmittag zu vertagen und erstmal mit dem Bus in die Stadt zu fahren, damit sie – im Falle des Falles – möglichst wenigstens die wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Stockholm gesehen hat. In der Reihenfolge sind dies lauft www.visitsweden.de die Altstadt GamlaStan, das Vasamuseum, das Freilichtmuseum Skansen und – immer noch unter den Top10 das Abba-Museum.

Wir nehmen uns für heute die Altstadt vor, wo wir einige Stunden verbringen, eine exquisit gute neapolitanische Pizza und ein echt italienisches Eis verspeisen, bevor wir wieder nach Saltsjöbaden zurückfahren. Inzwischen hat Nici den Entschluss gefasst, wenigstens kurz nach Hause zu fliegen, um ihre Mutter und ihren Bruder moralisch zu unterstützen, Ihre Söhne zu sehen und vor allem um sich von ihrem Vater verabschieden zu können.

Wir buchen über www.check24.de Direktflüge von Stockholm-Arlanda nach Düsseldorf und zurück. Hinflug am späten Donnerstagnachmittag, Rückflug am Samstagmorgen. Sie wird dann am frühen Nachmittag wieder an Bord sein. Ob wir dann noch losfahren müssen wir mal sehen. Auf jeden Fall lässt sich der durch Nici’s Abwesenheit „verlorene“ halbe Tag irgendwo wieder einsparen.

Unser Plan war, nach unserer Rückkehr aus der Stadt ein verspätetes Mittagsschläfchen zu halten. Als wir mit allen organisatorischen Akten durch sind, ist es 20 Uhr….


20.07.2025 Wir sind im Großraum Stockholm, tropisches Klima...

Freitag, 18.07.:


Was für ein Glück, wenn bei einem Paar beide Partner einen ähnlichen Bio- und Schlafrhytmus haben! Um viertel vor vier wachen wir beide gleichzeitig und fröhlich auf. Der Wecker war auf fünf Uhr gestellt. Sollen wir uns nun nochmal umdrehen, oder unsere Hinterteile aus der Koje bewegen?

Ein kurzer Blick auf den wolkenlosen Himmel und ein Lauschen ins Rigg lassen uns die Variante zwei, also Aufstehen, wählen. Nachdem wir uns die Zähne geputzt haben geht die inzwischen schon eingespielte Routine los. Nici kocht Kaffee und Tee und bereitet unter Deck alles zum Auslaufen vor, der Skipper bereitet die Navigation und das Deck vor.

Um 04:10 Uhr werfen wir die Leinen los, lassen uns aus der Box treiben und lassen erst dann den Diesel an. Unsere Nachbarn auf beiden Seiten schlafen natürlich noch. Dann geht es bei sparsamer Marschfahrt mit 4,5 Knoten den Gävlefluss hinunter, vorbei am Containerterminal ins freie Wasser.

Der erste Frachter des Tages, die „Snow Crystal“, ein selten hässliches Schiff, kommt uns entgegen.Trotzdem schaffen wir es noch vor der Begegnung den Kompass des Autopiloten zu kalibrieren, diesmal ohne jegliche Probleme. Wie schön ist das denn? Keine Abweichungen mehr zwischen MGK und COG, keine Zicken mehr und die Windmessanlage funktioniert auch wie sie soll. Ich bin glücklich.

Nachdem wir aus der Abdeckung der Hafenanlagen kommen, baut sich auch eine zunächst leichte Brise aus Nordnordwest auf, die langsam von sieben auf fünfzehn Knoten zunimmt. Das gibt schnelles Segeln, jedenfalls vorerst. 

Leider hat Wetterwelt mit der Prognose Recht, schon um halb neun ist nach sechzehn gesegelten Meilen der Spaß vorbei. Der Wind hat auf acht Knoten abgeflaut, dazu steht eine fiese alte Dünung, die die Segel wild hin- und herschlagen lässt.

Da wir die teuren Tücher nicht mutwillig zerstören wollen, nehmen wir erst die Genua und zwei Stunden später auch das bis dahin dichtgeholte Großsegel weg. Der Diesel muss uns nach Öregrund bringen. Leider… Ich bin froh, dass wir spätestens ab übermorgen im inneren Schärenfahrwasser können, wo es dann glattes Wasser geben wird.

Um 12:45 Uhr machen wir ziemlich an der gleichen Stelle fest, wo ich schon 2018 für ein paar Tage gelegen habe. Damals war ich – unfreiwillig – während der „Öregrund Båtveckan“, einer mehrtägigen Veranstaltung nur für Motorbootfahrer mit Rennen in verschiedenen Bootsklassen bis zur „Formel eins“ der Motorboote, hier.

Der von morgens bis spät in die Nacht andauernde Lärm hat mich 2018 ziemlich Nerven gekostet. Damals war ich für drei Tage hier, weil ich auf neue Crew warten musste.  Diesmal habe ich darauf geachtet, nicht während dieser Veranstaltung einen Stop in Öregrund zu machen. Leider ist es trotzdem auch heute nicht viel besser.

Irgendwelche Idioten haben ihre zu kleinen Geschlechtsteile gegen eine von zwei riesigen V8 Big Block Motoren befeuerte „Cigarette“ eingetauscht, mit der sie – ohne wirksame Schalldämpfung – den ganzen Tag den Sund rauf- und runterbrettern. Selbst auf der anderen Seite des vielleicht eine Meile breiten Sundes verursacht die Potenzschleuder noch so viel Lärm, dass man sich im Hafen an Deck nicht in normaler Gesprächslautstärke verständigen kann.

Nach jeder Runde biegen die drei Herren mit gegelten Haaren in den Hafen ab, ignorieren dabei – wie übrigens alle Motorbootfahrer – das drei Knoten Speedlimit und sorgen so für permanenten Schwell in diesem ansonsten sehr beschaulichen kleinen Hafen mit netter Infrastruktur. Schade, ohne die rücksichtslosen Motorkutscher könnte es hier sooo schön sein.

Wir essen an Land Fish & Chips und ein Eis zum Nachtisch, kaufen für die nächsten Tage noch ein paar Dinge ein und versorgen uns vor allem mit leckerem Räucherfisch, auf den ich mich schon seit Tagen besonders gefreut habe.Weniger erfreulich ist, dass es auch morgen keinen segelbaren Wind geben wird. In den Morgenstunden Totenflaute und danach leichter Wind auf den Kopf. Prost Mahlzeit!


Samstag. 19.07. :

Wie versprochen ist heute Flaute. Für heute steht – wenn wir dort einen Liegeplatz ergattern können – Arholma Norra Bryggan oder aber Furusund auf dem Programm. Während Arholma am nordöstlichen Ende des Hauptfahrwasser nach Stockholm liegt, ist Furusund schon ein ganzes Stück „weiter drin“.

Wie immer machen wir uns früh auf die Socken, um 05:30 Uhr ziehen wir uns leise aus der Box und genießen die ersten beiden Stunden des Tages den wunderschönen Weg durch das Schärenfahrwasser. Dann müssen wir – vorerst das letzte Mal in den nächsten Wochen – nochmals ein Stück über die freie Ostsee, bis wir bei Kappelskär wieder in den Landschutz gelangen.
Heute spielt der Landschutz jedoch überhaupt keine Rolle, weder unter Land noch auf dem freien Wasser weht ein auch nur ansatzweise brauchbares Lüftchen. 

Mein Freund Joachim ist mit seinem Hanseat 42 auf dem Weg nach Norden und ist wegen der andauernden Flaute schon leicht frustriert. Weder er noch seine Frau mögen das Motoren, deshalb hingen die beiden erst auf Utö, nun in Sandhamn rum und hofften auf Wind, der aber auch für die nächsten Tage erstmal nicht in Sicht ist.

Ein genauerer Blick ins Hafenhandbuch zeigt, dass es in Arholma Norra Bryggan wohl nur zwei Plätze für Boote unserer Größe und vor allem mit unserem Tiefgang geben wird. Bei der Annäherung sehe ich vier Masten, zwei davon sind recht hoch. Das brauchen wir wohl gar nicht erst versuchen. Also laufen wir weiter nach Furusund.

Der mittelgroße, gepflegte Hafen liegt direkt am Hauptfahrwasser, aber wenigstens in einem „verkehrsberuhigten Bereich“, also mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 8 Km/h. Blöderweise halten sich die Motorbootfahrer entweder gar nicht an dieses Limit oder sie erzeugen bei dieser Fahrtstufe besonders viel Schwell. Die riesigen Fähren nach Mariehamn, Helsinki und Tallin hingegen machen bei knapp fünf Knoten überhaupt keinen Schwell.

Wir legen mit dem Heck zum Hauptfahrwasser an einer Heckboje an. Der Hafenmeister empfiehlt uns bei einem Bootsgewicht von ca. 15 Tonnen zusätzlich noch eine der ausgebrachten Mooringleinen zu verwenden, was wir natürlich tun. Nach dem Aufklaren gehen wir an Land, essen ein leckeres Krabbenbrot und trinken ein Bier, bevor wir die Eisbude überfallen. 

Die Sonne sticht heute zum ersten Mal so richtig vom Himmel, selbst der Skipper hält es ohne kurze Hose nicht aus. Wenn der Schwell der vorbeifahrenden Motorquatzen nicht wäre, würde Furusund zu meinen absoluten Lieblingshäfen gehören.

Am Abend gönnen wir uns Pizza und Folienkartoffeln mit Krabben zum Abendessen. Der Hamnkrog hat eine wunderschöne Terrasse direkt am Wasser, eingefasst von einem schnuckeligen Schilfstreifen. Ein kleiner Traum. Natürlich gibt es auch hier die lästigen Mücken, doch mit „Mygga“-Spray eingeschmiert und Vitamin B12 ausdünstend ist das zu ertragen.

Nach dem Schlafengehen freuen wir uns beide über die Ventilatoren im Vorschiff, die die Wärme unter Deck wenigstens einigermaßen erträglich machen.


Sonntag, 20.07.:


Eigentlich wollten wir heute „querfeldein“ durch winzige, geschwungene und teilweise sehr enge Fahrwasser Richtung Süden nach Stavnäs. Ein Blick aufs IPad und ins Hafenhandbuch bewegt uns zu einer Planänderung. Vaxholm, an dem ich bisher immer nur vorbeigefahren bin, soll sehr schön, wenn auch touristisch sehr gut erschlossen sein.

Auch hier warnt das Hafenhandbuch vor Schwell im Hafen und wenig Platz für größere Yachten ab zehn Metern. Diese müssen auf der Außenseite am Wellenbrecher liegen, steht geschrieben. Wir hoffen, dass wir früh am Morgen dennoch einen ordentlichen Platz ergattern können.

Der eingeschlagene Weg durch das Hauptfahrwasser beschert uns zwar regelmäßige Begegnungen mit der Groß- bzw. Fährschifffahrt, zeigt uns auf der anderen Seite jedoch immer wieder eindrucksvoll die unbeschreibliche Schönheit des Stockholmer Schärengartens.

Etwa eine Meile vor Vaxholm hören wir hinter uns ein Martinshorn, können aber keinen Rettungswagen oder ein anderes Fahrzeug sehen, was die „Blasmusik“ veranstalten könnte. Hinter der Huk, die wir zwei Minuten vorher gerundet haben,kommt ein Rettungsboot mit sicher 25 Knoten Speed auf und überholt uns binnen weniger Sekunden. Ob das wohl wirklich ein Noteinsatz ist?

Ein paar Minuten später wissen wir es. Irgendwas muss auf der Festung östlich von Vaxholm passiert sein. Dort liegen noch zwei weitere Rettungsboote und zwischen den Geschützen der Festung steht ein grellgelber Hubschrauber.

Nach der Rundung der Festungsinsel können wir den Hafen sehen, der noch gar nicht voll erscheint. Nach einigen guten Anlegemanövern gibt es heute mal wieder ein weniger gutes, gleich drei Mal stößt unser Anker leicht an die betonierte Krone der Pier. Zum Glück ist nicht einmal der Zink vom Anker weg, also kein Problem.

Das Grundgeschirr in dem engen Hafen liegt leider ein wenig dicht am Boot, die Leine zeigt in einem Winkel von 75° auf unsere Winsch. Das ist unschön, aber leider nicht vermeidbar. Um 10:30 Uhr sind wir fest und können den Rest des Tages bei feinstem Sonnenschein, aber auch drückender Hitze genießen.




17.07.2025: Elektronikprobleme hoffentlich gelöst, morgen geht es nach Öregund

Mittwoch, 16.07.:

Wie herrlich, heute können wir so lange in der Koje bleiben wie wir wollen.  Oskar hatte gestern Abend noch eine Nachricht geschickt, dass die Ersatzteile am Donnerstagmittag bei ihm ankommen sollen. Sobald die da sind, fährt er nach Gävle und baut diese bei uns ein, was voraussichtlich bis in die Abendstunden dauern wird.

Somit werden wir wohl erst am Freitag wegkommen. Das ist auf der einen Seite gut, weil unsere Elektronik dann hoffentlich wieder korrekt funktioniert. Blöd ist allerdings, dass wir sowohl heute als auch morgen bei angenehmen Nord- bzw. Nordostwind in sehr brauchbarer Stärke Richtung Öregrund segeln könnten. Stattdessen hängen wir nun in Gävle fest.

Wir werden das Beste aus dieser Situation machen. Mit unseren Fahrrädern fahren wir gegen neun Uhr zunächst zum Supermarkt und zur direkt nebenan angesiedelten Apotheke. Bei Coop decken wir uns mit ein paar Lebensmitteln ein und in der Apotheke kauft Nici noch Hydrocortison-Salbe für unsere Mückenstiche, die erbärmlich jucken und teilweise ordentlich angeschwollen sind.

Obwohl wir uns in der letzten Nacht mit Steckschotten und Mückenschutzgittern so gut wie es nur ging gegen die Viecher verammelt haben, haben uns auch in der letzten Nacht wieder einige Mücken gestochen. Allein an der linken Hand habe ich in den letzten drei Tagen 23 (!!) Mückenstiche abbekommen. Die rechte Hand ist mit nur 16 Stichen geradezu glimpflich davon gekommen. Dazu kommen nochmals einige im unteren Bereich der Lendenwirbelsäule. Auch Nici hat es übel erwischt. Bei ihr sind die Füße und der Rücken am stärksten betroffen. Grob gezählt kommt sie auf etwa 70 Stiche.

Wir vertrödeln und verschlafen den Tag, zum Abendessen machen wir uns in der Pantry ein paar leckere Hamburger. Die feinen, aus der Pfanne trotz nur geringer Hitzezufuhr herausspritzenden Fettspritzer vernebeln trotz offener Fenster und Luken den halben Salon, wieder einmal schlägt der Rauchmelder unter der Salondecke wütend piepsend an.

Nach dem Essen gebe ich die Routen für die nächsten Tage in den Plotter ein und ärgere mich erneut, dass B&G keine Navionics-Karten mehr unterstützt. Die plottereigene Autorouting-Funktion ist meines Erachtens nicht optimal, weil oft sehr unsicher Routen, die nicht einmal eine signifikante Wegersparnis bringen vorgeschlagen werden. Außerdem sind in den automatisch berechneten Routen sehr oft völlig unsinnige Schlenker vorgesehen, die ich auch beim besten Willen nicht nachvollziehen kann.

Recht früh gehen wir mit dem Tag zufrieden auf die Koje und schlafen ganz hervorragend.


Donnerstag, 17.07.:


Auch heute Nacht haben es wieder ein paar stechende Eindringlinge in unsere Gemächer geschafft. Als mich eine Mücke in den Rücken gestochen hat und ich davon wachwerde, beginnt die Jagd auf die verdammten Blutsauger. Mit einem Küchenhandtuch bewaffnet jage ich die Plagegeister wild um mich schlagend Richtung Niedergang, wohin die kleine Schar zu fliehen versucht. Da die Plexiglassteck-schotten jedoch nur einen Weg in die Freiheit vorgaukeln, stranden die kleinen Biester an der Innenseite, wo ich sie nur noch erschlagen muss.

Trotz dieses Mordanschlages habe ich mindestens zehn frische Stiche, die sofort anschwellen. Mit Cortisonsalbe und Antihistaminikum in Tablettenform lässt sich der Juckreiz jedoch zumindest  einigermaßen abmildern.

Wir gönnen uns ein ausgiebiges und leckeres Frühstück im nun mückenfreien, aber – nach der gestrigen Hamburger-Aktion – noch immer wie eine Pommesbude riechenden Salon. Danach erledigt Nici einige Telefonate und ich schleife nochmals diverse kleine Macken im Ausbau aus und lackiere diese Stellen nach.

Dann ruft Oskar, ein Mitarbeiter von UK-Sails in Stockholm an. Er ist noch bis kommende Woche Dienstag im Urlaub, kann dann aber unser Großsegel in Saltsjöbaden (wo er praktischerweise auch wohnt) abholen und am Mittwoch reparieren. Somit fallen zwar wegen schlampiger Arbeit und Elektronikproblemen insgesamt fast vier Tage Reparaturstop in Gävle und Saltsjöbaden an, aber damit müssen wir wohl leider leben. Ich freue mich trotzdem, dass zum Start der nächsten Etappe alle gravierenden Probleme (hoffentlich) zu meiner Zufriedenheit gelöst sind.

Um die Mittagszeit bin ich allein an Bord – Nici ist im Museum – und sinniere über das angenehme Leben nach, das wir in diesem Sommer leben dürfen. Ich habe eine tolle Partnerin, mit der ich mich sehr gut verstehe, bin halbwegs gesund und fit, habe ein wirklich komfortables und dazu auch noch prima segelndes Boot. Es gibt überhaupt keinen Grund zur Unzufriedenheit. Was machen da schon ein paar Tage Zwangspause?

Zur Vorbereitung des Termins zum Austausch der Raymarine-Elektronik mache ich nochmals ein paar Ablenkungsmessungen im Bereich des EV1-Kompasses und vergleiche diese mit dem Steuerkompass an der Steuersäule. Ziel der Messungen ist es, einen möglichst optimal geeigneten Platz für den neuen elektronischen Kompass zu finden. Dieser findet sich im Schuhfach, ca. 40 cm weiter vorn und 40cm weiter an Steuerbord. Hier sind die Ablenkungen – zumindest auf dem derzeitigen Kurs – nur marginal. Die Ergebnisse in Kürze:

Kursanzeige Steuersäule: 190°
Kursanzeige am bisherigen Einbauort EV1-Kompass: 280°
Kursanzeige im Schuhfach (nur 40cm neben altem Installationsort: 190°

Um 15:00 Uhr ruft Oskar endlich an. Das Paket mit den Ersatzteilen ist gerade angekommen. Er kann trotzdem erst um 18 Uhr hier sein, ist aber zuversichtlich, dass wir das schnell hinbekommen. Im Anschluss an den Austausch müssen wir einmal aus dem Hafen rausfahren, um die Kalibrierung von Kompass und Windmessanlage vorzunehmen. Ich fürchte, dass es heute Abend spät wird.

Um morgen überhaupt noch halbwegs brauchbare Windverhältnisse für den fünfzig Seemeilen langen Trip nach Öregrund zu haben, müssen wir leider sehr früh los. Eine Aufteilung der Strecke ist eine Option, die wir morgen unterwegs treffen werden.
Unsere Fahrräder benötigen wir wohl in Gävle auch nicht mehr, deshalb verstauen wir diese am Nachmittag. Diesmal schraube ich beide Pedale ab und nehme auch den Lenker ab. Damit lässt sich die Breite des Fahrrades um zirka zwei Zentimeter reduzieren und schon flutscht es geradezu durch die Öffnung der begehbaren Backskiste. Wunderbar!

Die schon lange angekündigten Spaghetti Carbonara gibt es heute schon um 17:00 Uhr, damit wir die Arbeit von Oskar nicht durch unser Abendessen unterbrechen müssen.  Als wir gerade mit  dem Essen fertig sind, steht Oskar schon auf der Matte.  Er freut sich, dass ich schon alles vorbereitet habe, das erlebt er wohl nicht häufig.

Auch wenn Oskar glaubt, dass der Kompass selbst in Ordnung war und die Maststütze das Hauptproblem des Autopiloten war, wird die Kompasseinheit getauscht und an der von mir vorgeschlagenen Stelle montiert, die auch Oskar sehr sinnvoll erscheint.

Der nächste Schritt ist der Austausch der Connection-Box der Windmessanlage, die unter der Decke unterhalb des Mastfußes versteckt ist. Hier gibt es zunächst ein kleines Problem, weil statt eines schwarzen und eines grünen Kabels nur zwei schwarze vorhanden sind. Das kommt wohl schon mal vor. Eine genauere Inspektion ergibt jedoch, dass eine der beiden Litzen noch eine zusätzliche, blöderweise schwarze Abschirmung hat.

Nachdem alles verkabelt ist funktioniert die Windanzeige. Als letzten Schritt führen wir die Hafenkalibrierung des Autopiloten durch, was – auch wegen meinem „Training“ in den letzten Tagen auf Anhieb funktioniert. Die „SeaTrials“ nebst Kompasskalibrierung mache ich morgen nach der Ausfahrt aus dem Hafen. Auch diesen Schritt hatte ich ja in den letzten Tagen mehrfach ausprobiert.

Zu bemerken ist, dass Oskar ausdrücklich die sehr ordentliche Verkabelung von Marc gelobt hat, obwohl ein paar Kleinigkeiten nicht ganz optimal gelöst wurden. Als Marine-Elektroniker sieht Oskar nach eigener Angabe Dutzende Schiffe auch renomierter Herstelle im Monat, bei nur ganz wenigen würde er eine so übersichtliche und ordentliche Elektroinstallation wie auf der NYALA antreffen.

Für den Fall, dass mit der Kalibrierung morgen irgendwas nicht klappt, kann ich Oskar nochmal anrufen und wenn das auch nicht hilft, schickt er uns in Stockholm einen Kollegen aus der Hauptstadt vorbei. Um 20:00 Uhr ist Oskar auf dem Heimweg nach Söderhamn.Dankeschön für die zuverlässige Erledigung, die mich auch keinen Cent gekostet hat. Die Kosten trägt wohl zu 100% Raymarine, eventuell wird Breehorn zu einem geringen Teil an den Kosten beteiligt


15.07.2025: Mehr Elektronik-Probleme und Mückenplage

Sonntag, 13.07.:

Wie geplant laufen wir um viertel vor sechs aus, setzen nach Passieren (fast) aller engen Stellen nach etwa drei Seemeilen das Großsegel und wundern uns über den Wind, der statt der prognostizierten 22 Knoten (in Böen) konstant mit 23 – 25 Knoten, in der Spitze mit 33 Knoten aus Nord weht.

Mit sechseinhalb bis neun Knoten Fahrt pflügen wir nur unter dem Großsegel – ziemlich platt vor dem Wind – nach Süden. Vor uns nimmt die Bewölkung stark zu und es sieht nach Gewitter aus. Schon bald hören wir es in der Ferne grollen und donnern, die zugehörigen Blitze fehlen noch.

Gegen Mittag sind wir mitten im „Wettergeschehen“. Der Wind bläst noch kommod, inzwischen zucken aber auch die ersten Blitze über das Wasser, der Abstand zwischen Blitz und Donner ist aber noch mehr als fünf Sekunden lang. Als sich der Abstand verkürzt und die Bewölkung eine tief dunkelgraue Farbe angenommen hat, bergen wir sicherheitshalber das Groß und werfen den Jockel an. Wer weiß schon wie viel Wind in den Wolken steckt…

Der ist leider nun auch nicht mehr messbar, weil nach dem Ärger mit dem Kompass des Autopiloten nun auch noch die Windmessanlage ausgefallen ist. Der Richtungszeiger drehte sich eine Weile wie wild im Kreis, die angezeigte Windstärke wurde immer kleiner und nach höchstens einer Minute zeigten die Displays gar nichts mehr an. Verdammte Technik!

Nach dem Runden von Kusön biegen wir in den Axmarsfjärden ab, der uns sehr gefällt. Leider kommt die Axmarsbryggan nicht in Sicht. Da wir aber gestern noch eine Reservierungsbestätigung des Restaurants bekommen haben, ist nicht davon auszugehen, dass sich der durchaus ansehnliche Gebäudekomplex über Nacht in Luft aufgelöst hat. Komisch, was ist da los?

Ein Blick ins Hafenhandbuch liefert die Erklärung. Die Koordinaten stimmen nicht, die Axmarbryggan liegt gar nicht – wie von mir angenommen – am Axmarsfjärden, sondern zwei Seemeilen weiter nördlich. Also schnell eine neue Route abgesteckt und zurückgefahren. Peinlicher Fehler von mir!

Die Strafe für meine Nachlässigkeit kommt sofort. Es fängt wie aus Kübeln an zu regnen, so stark, wie ich das bisher selten auf dem Wasser erlebt habe. Die Regentropfen sind groß wie Kirschkerne und davon gibt es reichlich. Es ist auch nicht nur ein ganz kurzer Schauer, der Regen hält in annähernd unveränderter Intensität etwa eine Stunde an. 

Die Sicht geht auf fast null runter, man kann kaum noch 20 Meter weit sehen. Innerhalb von Sekunden sind meine Schuhe so nass, dass ich das Wasser daraus ausschütten kann. Als es endlich aufhört zu regnen, sind meine Jeans und mein Sweatshirt – durch die Dochtwirkung des Stoffs bis zu den Knien beziehungsweise Ellbogen rauf klatschnass.

Mit Schleichfahrt tasten wir uns durch den Schärengarten, aus dem überall garstige Steine herausgucken. Sehr exakte Navigation ist zwingend erforderlich. Eine Stunde später machen wir als einziges Boot längsseits an der Axmarsbryggan fest. Ein wirklich schönes Stück Erde ist das hier.

Als wenn ich nicht heute schon genug Ärger gehabt hätte, bekomme ich auch noch einen Anschiss von Nici, die sich von mir schlecht behandelt fühlte. Das ließ sich zum Glück schnell klären.

Ungeklärt bleibt jedoch die Ursache für den Windgeber-Ausfall. Die Steckverbindungen unter Deck scheinen in Ordnung zu sein, die im Topp ist morgen früh dran. In den Gebereinstellungen im Setup der Displays taucht nur noch der Log- und Echolotgeber auf, keine Windmessanlage.

Drei Stunden später laufen Thomas und Frederike mit der „Marysol“ ein. Wir gehen gemeinsam in dem urgemütlichen und sehr guten Restaurant essen. Die Fischgerichte sind exzellent und die Preise halbwegs angemessen, jedenfalls für schwedische Verhältnisse.

Obwohl wir schon im Restaurant nicht ins Glas gespuckt haben, gibt es noch einen Absacker auf der „NYALA“, der im Cockpit serviert wird. Es scheint fast so, als seien die Axmarbrygga-Mücken alle Alkoholiker. Zu Hunderten fallen sie über mich her und perforieren meinen Körper von oben bis unten. Innerhalb weniger Minuten habe ich mindestens zwanzig Mückenstiche abbekommen. Ab auf die Koje!


Montag, 14.07.:

Die Wettervorhersage für heute prognostiziert bis in den Nachmittag Regen und Gewitter. Dazu soll es schwachen Wind geben. Erneut passen die Wettermodelle nicht. Es heult leicht im Rigg, dafür ist es aber (noch) trocken. Das Auslaufen wird für den Nachmittag (vielleicht) terminiert.

Noch vor dem Frühstück winscht mich Nici in den Masttopp. Auch da finde ich keine Ursache für das Windmessproblem. So langsam nervt mich die Raymarine-Elektronik ziemlich. Ein paar weitere Telefonate später schickt mir Marc ein Foto von einer kleinen Connection Box der Windmessanlage unter dem Mastfuß. Hier soll bei eingeschalteten Instrumenten eine LED blinken. Das tut sie nicht.

Außerdem erhalte ich die Adresse von einem Raymarine-Partner in Söderhamn, der angeblich auch Service macht. Leider geht da niemand ans Telefon, deshalb habe ich es per Email versucht. Es hätte mich nicht gewundert, wenn die Firma Betriebsferien machen würde.

Zu meinem Erstaunen erhalte ich schon nach einer halben Stunde eine Antwort von Oskar, dem Chef und vielleicht einzigen Mitarbeiter per Email. Er schafft es nicht heute und nicht morgen, aber immerhin am Mittwoch und möchte gern wissen, wo wir dann sind.

Ich rufe ihn an und erzähle ihm, dass wir über Gävle und Öregrund nach Stockholm wollen. Gävle wäre kein Problem. Da ich ihm schon meine Registriernummer bei Raymarine geschickt habe ist schnell erklärt, welche Teile er möglicherweise benötigt.
Eine weitere halbe Stunde später ruft er nochmal an und teilt mir mit, dass er sich umgehend ins Auto setzt, nach Axmarbrygga kommt und schon ein paar Tests machen möchte, um sicher zu sein, was wir denn wirklich benötigen. 

Vierzig Minuten später steht er mit seinem kleinen Sohn auf der Pier und fängt gleich an. Diagnose:  Zumindest die Connection Box der Windmessanlage ist defekt, der EV1 Kompass-Sensor des Autopiloten wahrscheinlich auch. Sicherheitshalber stellt er für die komplette Windmessanlage mit dem Geber und den Kompass-Sensor im Maststopp einen Garantieantrag und bestellt diese als Ersatzteile. Weiterhin möchte er auch die Software updaten.

Es besteht berechtigte Hoffnung, dass wir am Mittwoch, spätestens aber am Donnerstag in Gävle wieder ein voll funktionsfähiges System haben. Trotzdem frage ich mich, ob das nur ein Zufall ist, dass uns innerhalb von sechs Wochen gleich zwei wichtige Geber ausfallen, oder ob es falsch war, auf Raymarine zu setzen. Auf meiner Olsen 42 hatte ich B & G-Sensoren, mit denen ich keine Probleme hatte.

Auf der ab dem nächstem Jahr geplanten Langfahrt möchte ich den Ärger nicht nochmal erleben. Ob ich meine Monitor-Windsteueranlage doch noch ans Heck basteln soll?

Auch das Problem mit unserem schlecht verarbeiteten Kopfbrett des Großsegels wird nun endlich angegangen. Kaum ist Oskar weg, ruft UK Sails Niederlande an und erkundigt sich nach unserer weiteren Planung. Das Segel ist wohl komplett in der Türkei gefertigt worden. Wie man für so einen Schund so viel Geld verlangen kann, ist mir noch ein Rätsel.

UK Niederlande will nun mit den Kollegen in Stockholm sprechen. Die sollen das Segel dann Anfang der nächsten Woche in Stockholm abholen, vernünftig reparieren und bis zum Ende der Woche wieder anliefern. Wir könnten in der Zeit die Vororte von Stockholm in Augenschein nehmen. Saltsjöbaden, Gustavsberg und Nacka interessieren mich. Mal sehen, was tatsächlich passieren wird.

Am späten Nachmittag zieht Nebel auf. Oben scheint die Sonne, unten wabern Nebelbänke vorbei, die eine mystische Stimmung auf die Bucht zaubern. Dieses Schauspiel schauen wir uns aus dem Salon an. An Deck wird es empfindlich kalt und außerdem treiben die vermaledeiten Blutsauger schon wieder ihr Unwesen.

Da diese Viecher nicht nur ganz offensichtlich auf Alkohol, sondern auch auf Bratkartoffeln und Putengeschnetzeltes stehen, müssen wir unsere „Burg“ gegen die Eindringlinge schützen.   Die Steckschotten kommen rein, und vor die teilweise geöffneten Luken und Pantryfenster werden die Mückenschutzrollos bzw. -Gitter gemacht.

Wir verbringen einen sehr gemütlichen und ruhigen Abend zusammen und genießen den ruhigen Hafentag. Morgen soll es bei Flaute weiter nach Gävle gehen, nachdem wir bei Thomas und Fritzi von der „Marysol“ noch zum Absacker waren.


Dienstag, 15.07.:

Beim Aufwachen um halb fünf regt sich im Hafen – von ein paar laut schnatternden Enten auf dem Parkplatz und einem älteren Herrn, der Müll sortiert mal abgesehen – absolut nichts. Nici träumt noch süß und auch der Wind schläft noch. Eine Viertelstunde später habe ich zumindest meine Liebste im wahrsten Sinne des Wortes wachgeküsst.

Um kurz vor sechs schleichen wir uns mit Standgas und ohne Bugstrahlruder aus dem Hafen, schlängeln uns durch das enge und stark gewundene Fahrwasser und runden dann die Insel Kusön an der Nordseite. Es regt sich immer noch kein Lüftchen, was immerhin den Vorteil hat, dass wir bei nur 1500 Umdrehungen des Diesels mit sechs Knoten nach Süden rattern.

Der Nachteil an dieser Flaute ist nicht nur der mangelnde Segelspaß, sondern gefühlt Millionen von kleinen Insekten, die unser Cockpit mehr als nur dicht bevölkern. Unter diesen blinden Passagieren befinden sich leider auch einige der schon erwähnten Blutsauger, die uns erneut zur Ader lassen. Inzwischen ist auch Nici gründlich zerstochen; wahrscheinlich ist sie gestern auf der „Marysol“ böse erwischt worden.

Der überwiegende Teil des Viehzeug scheint nur eine sehr geringe Lebenserwartung zu haben und nicht besonders wasserresistent zu sein. Regelmäßiges Spülen mit der Cockpitdusche schafft ein wenig Linderung und spült die Mistviecher zu Hunderten in die Ostsee. Leider komme ich mit dem Schlauch nicht unter den Dodger, wo Nici das Ungeziefer beharrlich mit einem Schwammtuch und einer Pütz beharkt. 

Diejenigen, die sich vor ihrem rücksichtslosen Massenmord in Sicherheit bringen können, finden unter der Salondecke Zuflucht, wo sie – vielleicht von der rücksichtslosen Brutalität meiner Liebsten völlig traumatisiert – ein paar Stunden später auch ohne Fremdeinwirkung das Zeitliche segnen.

Unsere „NYALA“ interessiert das ganze wenig. Mit einem zufriedenen Brummen im Bauch steuert sie Südwestkurs nach Gävle. Die Zufahrt zieht sich immerhin fast zehn Meilen bis zum Gästehafen in der Nähe des Stadtzentrums. Ich wundere mich über ein relativ großes Containerterminal, wo aber wohl keine großen Containerfracher, sondern nur Feeder regelmäßig anlegen.

Um halb zwölf machen wir neben einer deutschen Sirius 35, die auch an der Midsummersail teilgenommen hat, am Fingersteg fest. Mit einer Reihe Fender in Lee liegen wir hier ganz ordentlich, trotzdem möche ich auch nach Luv wenigstens eine Leine haben, die die Fender entlastet. Mutig balanciert Nici über das zehn Meter lange 80 x 80 mm Vierkantrohr des Luvauslegers, bückt sich und fällt beim Durchziehen der ihr zugeworfenen Leine in das trübe Hafenwasser.

Wir können uns beide vor Lachen kaum halten. Zum Glück hatte sie kein Handy in der Tasche und ist schnell wieder aus dem Wasser und steht unter der Dusche. Die nassen Sachen sind dank des Wachtrockners auch schnell wieder frisch und trocken. Immerhin hat sie für das Wohl der „NYALA“ wirklich alles gegeben!

Wir zerren unsere Fahrräder aus der Backskiste und nach dem Aufbau selbiger geht es in die Stadt, wo wir uns in einer Apotheke erstmal mit Mückenspray schwedischer Bauart gegen Stiche, sowie Aloe Vera Gel und Fenistil-Gel zur Behandlung bereits erfolgter Stiche „bewaffnen“.

Erst so aufgerüstet beginnen wir die Innenstadt zu erkunden, die uns ein wenig erstaunt. Es gibt kein einheitliches Stadtbild. Alte und moderne Architektur sind bunt gemischt, es herrscht reges Treiben in den Fußgängerzonen. Wir gönnen uns in einem kleinen türkischen Schnellrestaurant ein leichtes Mittagessen und einen Softdrink dazu.

Es tut gut nach ein paar Tagen in der „Wildnis“ auch mal wieder in eine richtige Stadt mit immerhin rund 100.000 Einwohnern zu kommen. Morgen und eventuell auch übermorgen haben wir noch genug Zeit uns die Stadt intensiver anzuschauen, weil wir ja auf die Ersatzteile von Raymarine warten müssen. Hoffentlich kommen die morgen schon…




12.07.2025: Idyll Mellanfjärden und technische Probleme

Freitag, 11.07.:

Schon um vier Uhr packt mich die Unruhe. Werden wir den Autopiloten wieder hinbekommen? Um halb sechs ist auch Nici hellwach und kocht gleich Kaffee und Tee für uns. Natürlich könnten wir das auch unterwegs erledigen, aber mit Landstrom lässt sich Gas einsparen, von dem wir keinesfalls zu viel an Bord haben.

Ich nehme derweil die "Hafenkalibrierung" des Autopiloten erneut vor. Ruder mittschiffs und bestätigen, Ruder hart Backbord, hart Steuerbord und wieder mittschiffs (jeweils mit Bestätigung). Das hat schon mal geklappt. Nach dem Ablegen sind die „Sea trials“ dran.

Punkt sechs laufen wir aus, fahren ein sauberes Manöver – trotz rechtwinklig von Backbord einfallendem Wind. Nach dem Aufklaren des Decks beginne ich sofort mit der software-gestützten Kompass-Kalibrierung. Vollkreis über Steuerbord mit mindestens vier Knoten Fahrt. Hat geklappt!

Deviationsaufnahme (durch weiteren Vollkeis)? Hat auch geklappt. Der errechnete amgezeigte Missweisungswert von minus 58° kann allerdings nicht passen. Sch….!

Trotzdem steuert der Autopilot nun - vorerst - wieder tapfer. Nach anderthalbstündigem Test schicke ich das Ergebnis per WhatsApp an die Werft mit einer teilweisen Entwarnung. Kurzfristig bin ich froh und dankbar, dass das Ding wieder läuft.
Allein ist das Bergen und Packen des störrischen 68m²-Großsegels kaum zu bewerkstelligen. Schon deshalb muss der Autopilot funktionieren! 

Kaum dass Marc die Nachricht gelesen hat, zickt der verfluchte Autopilot schon wieder. Mist, verdammter! Auch eine erneute Kalibrierroutine bringt nichts, keine Besserung. Wie gestern giert das Boot nach Aktivierung des Autopiloten unkontrolliert hin und her und dreht regelmäßig Vollkreise, wenn man nicht eingreift. 

Nächste Nachricht an Marc, zehn Minuten später kommt die Antwort. Raymarine soll heute Vormittag bei mir anrufen. Mal sehen, ob und was der Support ausrichten kann.

Inzwischen hat der Wind aufgefrischt und würde gut zum Segeln reichen, leider macht Nici gerade Frühstück und kocht auf der Induktionskochplatte Eier. Da kann sie schlecht unterbrechen, zumal eine fiese kleine Welle steht, die das Boot deutlich rollen lässt.

Nachdem wir abfallen können, kommt die Genua raus, damit laufen kurzzeitig damit raumschots fast sieben Knoten. Leider flaut es – vorhersagegemäß – schon bald wieder kräftig ab. Nici gibt ihr Bestes am Rad und versucht immer ein wenig anzuspitzen, wenn die Genua unruhig steht. Ab und zu kommt das Segel auch mal back. Um eine weitere Reparatur am Segel zu vermeiden, rollen wir die Genua nach nur acht Seemeilen wieder weg und laufen unter Motor weiter. Noch zehn Meilen bis Mellanfjärden.

Irgendwann gegen Mittag ruft mich ein Servicetechniker von Raymarine Nederland an. Netter und bemühter Typ, aber eine Lösung hat er nicht für uns. Seinen Theorien, warum der Autopilot streikt, kann ich nicht folgen. An der Ostküste von Schweden – selbst in Stockholm – gibt es scheinbar nicht einen zertifizierten Servicebetrieb. 

Warum habe ich Trottel so viel Geld für einen elektrischen Autopiloten ausgeben, obwohl ich wusste, dass ein Windsteuersystem wesentlich zuverlässiger ist??

In Mellanfjärden finden wir einen feinen Liegeplatz längsseits, leider an alten Autoreifen, die unsere Fender gründlich einsauen. Die Fenderbretter hätte ich besser mal sofort benutzt.

Nach dem Festmachen gehen wir auf Inspektionstour in dem winzigen, aber superidyllischen Ort, der eher an ein Freilichtmuseum erinnert. Wir gönnen uns ein Krabbenbrot bzw. Ceasars Salad nebst Drink in einem kleinen Restaurant mit Blick aufs Boot. Einfach toll hier!

Das Thema Autopilot nimmt mich seit gestern so in Beschlag, dass ich erstmal ein Schläfchen benötige, was dann drei Stunden lang wird. Als ich aufwache hat meine süße Nici schon das Abendessen fertig. Es gibt Schweinefilet-Geschnetzeltes mit Pilzen in einer leckeren Rahmsauße und handgeriebene Rösti. Köstlich!

Am Abend erhalte ich von Marc die Nachricht, dass er mir einen neuen Kompass für den Autopiloten schicken will, mal sehen, wie wir das machen. Entweder muss Marta den mitbringen oder an den Wasahafen schicken lassen. Unabhängig davon prüfe ich mit dem Handpeilkompass die Magnetfelder um den Einbauort des Kompasses für den Autopiloten. Dabei stelle ich fest, dass die stählerne Maststütze in unmittelbarer Nähe einen noch erheblicheren Einfluss hat als es die Fahrräder gestern hatten. Sollte das die Ursache sein?

Ein Telefonat  mit Marc bringt keine Erleuchtung. „Das machen wir schon lange so, bisher hatten wir noch nie Probleme damit“ Komisch, warum dann bei mir. Ich sehe mich vorsorglich nach alternativen Einbauorten für den neuen Kompass um und bitte Marc mir ein mindestens fünf Meter langes Netzwerkkabel mitzuschicken.

Um 23 Uhr geht es auf die Koje, damit wir morgen wieder zu unserer schon gewohnten Zeit loskommen. Auch wenn es nach Hudiksvall nur 39 Seemeilen sind, macht frühes Auslaufen wohl Sinn, weil der Wind über den morgigen Tag kräftig zunehmen soll. Immerhin werde ich das Großsegel dann nicht so schmerzlich vermissen.


Samstag, 12.07.:

Als ich um vier Uhr zum ersten Mal wachwerde, ist es noch sehr flau. Prima, da können wir noch ein Stündchen weiterschlafen. Eine Stunde später meldet sich dann Nicis Wecker; erst sanft und dann immer eindringlicher.  Mit einem deutlichen Lächeln im Gesicht wacht meine Liebste auf, man spürt förmlich, dass sie sich auf unseren nächsten Segeltag freut.

Eine halbe Stunde später sind wir auslaufklar und legen leise ab. Ich ärgere mich mächtig, dass wir die Fenderbretter nicht schon beim Anlegen über die Fender gehängt haben, die jetzt ordentlich mit Reifenabrieb verziert sind, der auch mit grüner Seife nicht wirklich abgeht. Politur ist zwar irgendwo an Bord, aber ich weiß nicht mehr, wo ich die verstaut habe. Es wird mir aber hoffenrtlich noch einfallen.

Nach dem Passieren der engen Rinne rollen wir die Genua aus. Meine Bordfrau spürt, dass mich fünf Knoten Fahrt nicht glücklich machen und schlägt vor das Groß zu setzen. In Kenntnis der frischen schwedischen Windprognose, die Nordnordost mit bis zu 28 Knoten für die Region vorhersagt, schlage ich den Vorschlag aus. Wenn das so kommt, sind wir auch mit der Genua ausreichend betucht.

Tatsächlich frischt der Wind bald auf und „NYALA“ macht auch nur unter der Genua zuerst knappe sieben, später im Surf auf der Welle auch mal achteinhalb bis neun Knoten Fahrt.  Wieder mal wird mir bewusst, was wir für ein tolles Boot gekauft haben.

Gestern hat ein niederländischer Breehorn-Segler auszugsweise einen Bericht aus dem aktuellen „Palstek“ bei Facebook veröffentlicht, in dem Jan Kuffel über kleinere und flexible Werften für Fahrtenboote, z. B. Sirius, Winner und Breehorn geschrieben hat. Dort waren auch einige Fotos von der „NYALA“ zu sehen.

Lustig war zu lesen, dass „Der Eigner dieser Breehorn 44 durch den  Einbau einer zusätzlichen Segellast zwischen Ankerkasten und Vorschiffskoje so eine geradezu gigantische Koje bekommen hat. Stimmt, eine Breite von 1,40 m am Fuß- und 2,00 m am Kopfende ist wirklich üppig und viel sinnvoller als die neumodischen Inselbetten, bei denen man bei Lage aus der Koje fällt.
Insgesamt fand Jan eigentlich nur positive Worte für die Werft und die bei Breehorn gebauten Boote. Ich bin sehr auf den Testbericht über meine Breehorn 44 gespannt, der in der nächsten Ausgabe erscheinen wird.

Zwanzig Meilen weiter müssen wir erst nach WSW, später sogar nach Nordwesten abbiegen. Blöderweise dreht der Wind links auf Nordwest und aufkreuzen möchte ich hier nicht. Deshalb werfen wir – leider schon wieder – die Maschine an. 

In Hudiksvall kann ich Nici zeigen, wo ich im Winter zum Eissegeln war und meine erste Ranglistenregatta bestreiten konnte, wo ich letzter wurde, obwohl ich nie als letzter durchs Ziel gefahren bin. Ich wusste einfach noch nicht, dass man – wenn man überrundet wird – sofort durchs Ziel fahren muss, statt den Kurs zu Ende abzusegeln. Das brachte mir gleich zwei Disqualifikationen… War trotzdem ein gutes Trainig für die Europameisterschaft in Finnland im Februar.

Da wir in den nächsten Tagen wieder ein paar kleinere Häfen mit beschränkten Einkaufsmöglichkeiten anpeilen, wollen wir schnell noch ein paar Dinge einkaufen. Wir entscheiden uns für den „Stora Coop“-Supermarkt, der zwar toll sortiert, aber leider auch ziemlich weit entfernt ist.

Ich biete an, den Einkauf mit dem Fahrrad allein zu machen, aber meine bessere Hälfte lehnt das kategorisch ab. Obwohl ich mir die Einkäufe auf den Rücken schnalle, kann ich ihr bei der Rückkehr auf unser Boot ansehen, dass ihr Knie wieder zwickt.

Während Nici sich ein wenig von dem „Spaziergang“ in Segelschuhen, die sich ihrer Meinung nach doch zum Wandern eignen, erholt, füllt der Skipper die Wassertanks und kümmert sich um die nächsten Ziele nebst dem Abstecken der Routen dorthin. Auch die Politur habe ich inzwischen gefunden. Nach der Behandlung mit selbiger sehen auch die Fender wieder gut aus.

Es folgt eine Dusche im Sanitärgebäude – die erste seit langem an Land – und das Abendessen. Um  halb zehn sind wir beide platt, müssen aber noch auf unseren Waschtrockner warten, in dem unsere Bettwäsche steckt.

Morgen soll es ins 51 Seemeilen entfernte Axmarsfjärden gehen, wo wir einen Tisch für 18 Uhr im angeblich exzellenten Fischrestaurant einen Tisch bestellt haben. Der frühe Wurm fängt den Fisch, deshalb wieder um 06:00 Uhr auslaufen…

Unten noch ein paar Fotos aus Mellanfjärden und Hudiksvall...



10.07.2025: Rekordverdächtig schnell nach Süden

In den letzten Tagen gab es leider einige schlechte Nachrichten aus der Heimat, die unsere Zeit und Törnplanung beeinflusst haben. Deshalb hatten wir hintereinander drei lange Tage und einige Dinge um die Ohren...

Montag, 07.07.:
Heute schlafen wir uns aus und rühren uns überhaupt zum ersten Mal um kurz nach sieben. Das Frühstück incl. frisch gebackenem Rosinenstuten und Dinkel-Vollkornbrot gibt erst eine gute Stunde später.

Draußen regnet es in einem durch, dazu weht ein garstig böiger Nordwind. Der Bordfrau wird heute strenge Bettruhe verschrieben, weil sie sich gestern beim Anlegen ihr linkes Knie leicht verdreht hat. Das Knie ist geschwollen und schmerzt, ist aber zum Glück stabil. Hafentag!

Nach dem Frühstück legt sich Nici nochmal hin und schläft nochmal vier Stunden am Stück, vermutlich wegen der von Ihr genommenen Schmerzmittel. In den Hafen läuft die „TamTam“ vom Boltenhagener Hafenmeister Timo ein, der ebenfalls an der Midsummersail teilgenommen hat. Mit 13 Tonnen bei nur 11m Länge ist sie ein echtes Schwergewicht, soll aber trotzdem sehr gut laufen.

Timo und seine heute per Auto angereiste Frau Sandra sind super sympathisch und haben schon eine halbe Weltumsegelung mit einem Dreivierteltonner aus Aluminium von Dübbel und Jesse hinter sich. Sie haben damit das Kap Hoorn umsegelt und sind die gesamte westamerikanische Küste hoch bis Sitka in Alaska gesegelt.

Wir werden von den beiden und Timo’s Mitsegler Thoralf, der mit Sandras Auto morgen nach Hause fährt, zum Grillen eingeladen. Wir bringen Wein, Rum und Cola mit und verbringen gemeinsam einen sehr schönen Abend unter dem Stichwort „TO-Treffen Kallviken“. Auch Timo und Sandra sind TO-Mitglieder..


Dienstag, 08.08.:
Heute stellen wir einen neuen Rekord auf. Obwohl die Nacht sehr kurz war, sind wir um vier Uhr auf und  machen uns langsam auslaufklar. Um fünf Uhr dieseln wir bei Standgas aus dem Hafen und setzten im freien Wasser die Segel. Unser heutiges Ziel ist Patholmsviken, eine moderne Marina in der Nähe von Umeå.

Die ersten anderthalb Stunden genießen wir wunderbar ruhiges Segeln unter Groß und Genua bei nordwestlichem Wind, der leider schon um halb acht durch Einsetzen der Thermik fast komplett „aufgefressen“ wird. Die Wetterwelt-Windprognose hatte das schon vorhergesagt. Wir rollen die Genua weg und starten die Maschine.

Natürlich hätten wir auch nur bis Ratan fahren können, doch in den nächsten Tagen ist mit südlichen Winden in ebenfalls geringer Stärke zu rechnen. Da wollen wir lieber heute ordentlich Süd machen, wenn auch unter Motor. Nach einer halben Stunde unter Motor lege ich mich ein wenig auf die Koje, Nici übernimmt die Wache.

Ich werde wieder wach als ich irgendwie im Unterbewusstsein im Schlaf registriere, dass wieder segelbarer Wind ist und tatsächlich. Groß gefiert, Genua auf und wir laufen schneller als vorher unter Motor. Prima…

Jetzt ist Nici mit einer Mittagsstunde dran und legt sich ins Vorschiff.  Der Wind raumt sukzessive noch mehr, jetzt zieht die Genua nicht mehr. Dagegen hilft ausbaumen, was ich auch allein hinbekomme. Hinter uns zieht sich der Himmel zu, es sieht nach Regen oder Gewitter aus.

Zum Glück wird Nici relativ schnell wieder wach. Inzwischen musste ich die Genua wegrollen und halsen. Laut WetterApp soll es zwar weder Regen noch Gewitter geben, doch der Himmel spricht eine andere Sprache. Um nicht unangenehm überrascht zu werden, bergen wir das Großsegel und rollen dann die Genua wieder aus, die bei plötzlichen Böen ja deutlich einfacher zu handhaben ist, als schnell bei viel Wind das Groß halbwegs ordentlich zu bergen.

Da wir jetzt kaum noch vorankommen, lassen wir die Maschine mitlaufen. Um 14:30 Uhr machen wir mit einem leider nur mittelmäßigen Anlegemanöver in Patholmsviken fest. Der Hafen ist nett, aber die Umgebung hässlich.

Ein Telefonat mit Nici’s Mutter gibt keinen Anlass zur Freude. Mit ihrem krebskranken Vater geht es relativ steil bergab. Schon vor einem halben Jahr hatte er eine Krise, konnte sich aber nochmal erholen. Nun scheinen die Organe allmählich zu versagen, es ist nur eine Frage der Zeit, wann wir zumindest für Nici einen Heimflug einplanen müssen.

Nach dem Abendessen überarbeite ich die weitere Planung dieser Etappe so, dass wir innerhalb von zwei Tagen an einem Ort mit vernünftiger Bahnanbindung nach Stockholm sind und schaufle durch Verlängerung der Teiletappen, Weglassen von schönen Häfen und Hafentagen insgesamt sechs Tage raus, die für einen kurzen Heimataufenthalt genutzt werden könnten.

Ich bedaure zwar, dass ich auf diese Weise schon wieder nicht ausreichend Zeit für die Höga Kusten haben werde, aber das ist nun mal nicht zu ändern. Die aktuelle Situation erinnert mich stark an das letzte Jahr; da lag meine eigene Mutter im Sterben. Ich hatte damals auch alle Hebel in Bewegung gesetzt, um wenigstens bei der Beerdigung dabei sein zu können, was angeblich aufgrund von Terminschwierigkeiten nicht möglich war. Das hat mich sehr betrübt.


Mittwoch. 09.07.:
Wieder klingelt um fünf der Wecker. Obwohl ich für meine Verhältnisse relativ lange geschlafen habe, fühle ich mich nicht gut erholt. Gestern Abend hatten wir eine kleine Auseinandersetzung über das nicht ganz optimale Anlegemanöver, bei der unsere Standpunkte ein wenig divergierten. 

Früher hätte ich sowas einfach weggesteckt oder ignoriert, jetzt beschäftigt es mich sehr.Im gewohnten Rhythmus machen wir uns auslaufklar und sind schon um halb sechs aus dem Hafen. Der Wind ist besser als erwartet, eigentlich sah es nach Flaute aus. Stattdessen machen wir bei halbem Wind  von zehn bis zwölf Knoten immerhin sechs bis sechseinhalb Knoten Fahrt nach Südwesten. Norra Ulvön steht heute auf dem Programm, knappe 65 Seemeilen entfernt. Ich freue mich über jede Meile, die wir nicht motoren müssen.

Leider hat es schon um acht Uhr soweit abgeflaut und geraumt, dass wir kaum noch von der Stelle kommen. Also Rütteleisen und Watermaker an und bei 1.500 Umdrehungen in der Minute mit knapp sechs Knoten Richtung Ziel motort. Um viertel vor elf regt sich wieder ein nun achterliches Lüftchen. Ich baume den schon vorher vorsorglich aufgerollt gesetzten Code Zero aus und wundere mich, wie schön unser Boot damit fährt. Bei nur zehn Knoten Wind von achtern läuft die „NYALA“ immerhin zwischen fünf und fünfeinhalb Knoten. Mehr geht physikalisch kaum, weil wahrer Wind und Fahrtwind sich ja gegenseitig aufheben möchten. Ich bin sehr zufrieden.

Wir führen auch ein Videotelefonat mit Nici’s Vater, der – trotz seiner ziemlich aussichtslosen Situation – seinen schwarzen Humor noch nicht verloren hat. Er berichtet, dass er immer schwächer wird, aber wenigstens keine Schmerzen hat. Nici’s Mutter hat sich leider auch noch eine Gürtelrose zugezogen, dennoch lehnt sie eine intensivere Besuchsfrequenz der Palliativpflege vehement ab. Sie möchte nicht noch mehr fremde Menschen im Haus haben. Tapfere Heidi!

In den nächsten Stunden geht der Wind rauf und runter, dreht mal links, mal rechts, frischt auf und schläft wieder ein wenig ein. Das ist nervig. Code Zero ausrollen, einrollen, ausrollen, ausbaumen, Baum wieder weg, einrollen.

Um 15:40 Uhr verliere ich die Geduld und starte den Diesel, auf den letzten 13 Seemeilen möchte ich mich nicht mehr ärgern. Eine gute Stunde später laufen wir in den Ulvö-Sund ein und wundern uns, dass der Hafen relativ voll ist. Das kann nicht nur mit der Idylle zu tun haben. Außerdem fallen uns relativ viele sehr sportlich aussehende Boote auf, die auf dem Wasser Spinnaker-Manöver trainieren.

Einen Liegeplatz im sehr idyllischen Norra Ulvön finden wir schließlich längsseits der Hanse 470 „Marysol“ von Thomas und Frederike, die wir schon in Törehamn kennengelernt haben. Wir haben einen netten Klönschnack von Boot zu Boot. Frederike erzählt, dass sie einen richtigen Heißhunger auf ein vernünftiges Brot hat, was es in Schweden aber nicht zu kaufen gibt. Und ein Buch hat sie auch nicht mit.

Mit beidem hilft meine gute Nici sehr gern weiter. Schnell ist ein Buch von ihr selbst wietergegeben und unser Brotbackautomat angeworfen. Unsere Nachbarn sind selig. Als es langsam kühl wird, verholen wir uns auf die Kojen. Auch morgen soll es wieder früh losgehen.

Donnerstag, 10.07.:
Mit etwas komischer Laune stehen wir heute um kurz nach fünf aus. Auch wenn gestern aus meiner Sicht alles gut geklappt hat, stimmt irgendetwas nicht. Nici ist traurig, dass ich die Planung auf „Pedal tot he metal“ umgeplant habe, was ich eigentlich ihr zum Gefallen tat. Da ihr Vater aber ein Stehaufmännchen ist – dem es heute zum Glück wieder etwas besser ging – möchte sie die Höga Kusten, die als eines der schönsten Reviere in Schweden gilt – nur ungern im Eiltempo abspulen.

Mir ist jedoch bewusst, dass ihre Mutter im Fall der Fälle Hilfe benötigt, die ihr nur ihre Kinder geben können. Bis heute Morgen gingen wir beide davon aus, dass Nici’s Bruder derzeit und bis zum 20. Juli im Urlaub ist, was sich heute in einem Telefonat als Falschinformation herausstellte. Es war also ein Missverständnis, was bei uns beiden für Unmut gesorgt hat. Das ist in einem längeren Gespräch nach dem frühen Auslaufen zum Glück schnell „abgehakt“.

Das eine Problem ist gerade gelöst, da kommt schon das nächste; plötzlich streikt der Autopilot und macht seltsame Dinge. Schon in den letzten Tagen fiel mir auf, dass zwischen dem Kurs über Grund und dem Magnetkompasskurs (des Autopiloten) ein zunehmend größerer Abstand besteht, der heute Morgen fast 70° betrug. Heute steuern wir seit Beginn der Midsummersail zum ersten Mal wieder Südwest- und Westkurse.

Statt den – nach dem Einsteuern auf den Kurs über Grund (am Plotter) überprüften Kurs nach Drücken der Taste „Auto“ zu übernehmen, macht das Sch…ding echte Zicken und fährt deutlich unterschied-liche Kurse. Nachdem ein „Kompass-Neustart“ nicht weiterhilft – weil die dafür erforderliche Routine nur in irgendwelchen englischsprachigen Handbüchern steht -, versuche ich einen „Reset auf Werkseinstellungen“, ein schwerwiegender Fehler…

Jetzt ist der „Eiserne Gustav“ völlig durcheinander und hält Backbord für Steuerbord“ und dreht den Motor rechts- statt linksherum. Nach Rücksprache mit unserem Elektronik-Genie Marc (Breehorn-Werft) bekomme ich zumindest einige der justierten Einstellungen wieder hin. Ruderlage, Drehrichtung des Motors und auch die Polung des Antriebes funktionieren wieder richtig, leider lässt sich die Kalibrierung der Deviationsroutine nicht abschließen.

Zu allem Überfluss ist heute auch noch den ganzen Tag Flaute. Das laue Lüftchen weht auch noch von achtern, was wir nicht gut gebrauchen können. Da hilft nur die "Unterwasser-Genua", wenn wir denn weiter voran kommen wollen. 

In einem weiteren Telefonat mit Marc – ich wollte wissen, wer uns in der Nähe von Sundsvall eventuell mit Garantieansprüchen weiterhelfen kann – fragt dieser, ob es sein könnte, dass ich ferromagnetische Ausrüstung in die Nähe des Kompassmoduls gestaut haben könnte.

Ich müsste dazu erstmal wissen, wo dieses verdammte Modul sitzt. „Der Kompass sitzt unter dem Bodenbrett im Vorschiff, zwischen Dusche und Kleiderschrank“ doziert Marc. „Hast Du vielleicht irgendwelche Stahlteile unter das Bett in das Vorschiff gestaut???“

Ja, das habe ich tatsächlich. Nach der Kalibrierung bei Breehorn habe ich drei Klappräder, einen 5kg-Dinghyanker und eine 5kg-Flasche Propangas in diesen Stauraum gepackt, weil ich nicht wusste, was das für Folgen haben könnte. „Aber warum zur Hölle tritt der Fehler erst jetzt auf, nachdem der Autopilot die letzten Wochen tadellos funktioniert hat?“ frage ich Marc. Das weiß er auch nicht, auf jeden Fall sind die Setup-Paramerter nicht dokumentiert worden. Also ist „Trial and Error“ angesagt.

Die gut 57 Seemeilen nach Sundsvall müssen wir also von Hand steuern, was eine gute Übung für Nici ist. Nachdem wir beinahe im falschen Hafen von Sundsvall angelegt haben (den richtigen hatte ich überhaupt nicht in der Karte gesehen), steht eine größere Umstau-Aktion an. 

Mit Ausnahme von einem Falt-E-Bike aus Aluminium, wandert alles magnetische Zeug von der Vorschiffskoje in die begehbare Backskiste, die natürlich vorher ausgeräumt werden musste. Obwohl ich die Packmaße des zweiten Falt-E-Bikes schon bei der Beauftragung des Bootes angegeben hatte, müssen wir die Pedale abschrauben. Und selbst dann bekommen wir das sperrige und störrische Fahrrad nur mit größter Mühe durch den Custom-made Deckel in die Backskiste.

Aus der Segellast kommen der Spinnaker und die Kutterfock unter die Vorschiffskoje, in der auch einige Leinen, Schoten und Reservefallen aus der Achterpiek verschwinden.

Die Tiefkühlbox aus der begehbaren Backskiste muss noch in die Segellast, was auch nicht trivial ist, weil sie eigentlich zu groß ist, um durch das nur 50 x 50 cm große Luk zu passen. Mit Abschrauben der Deckelarretierung geht es dann doch. Auf der Rettungsinsel stehend – können nun auch noch einige Getränkedosen in der Kühlbox verstaut werden. Jetzt noch Gennaker und Code Zero drauf und es ist sogar noch ein Stauplatz für einen Fender übrig.

Das Aufräumen der Achterpiek ist nur noch Fleißarbeit. Während ich den „Feinschliff“ mache, ist Nici zum Einkaufen aufgebrochen und kommt auch erst nach 20 Uhr mit nur teilweise abgearbeiteter Liste zurück. Der nächstgelegende „Supermarkt“ eines Afrikaners führte nämlich nur getrocknete Hülsenfrüchte und der Lidl hat mir quasi die Tür vor der Nase zugeschlagen.

Deshalb tun wir was für die gute Linie und verzichten auf das Abendessen. Insgesamt war es trotzdem ein schöner und guter Tag. Wir haben jetzt fünf Tage Vorsprung vor der ursprünglichen Planung und können nun den Fuß vom Gas nehmen, was uns sicher guttun wird. Trotzdem wollen wir morgen wieder zeitig los. Dann stehen aber nur 35 Seemeilen auf dem Programm, die wir auf einer halben Pobacke abreiten, besonders wenn der Autopilot dann wieder das tun sollte, was wir von ihm erwarten….

Zum Schluss noch ein paar Bilder aus Norra Ulvön...



06.07.2025: Wir kommen gut voran und sind schon zwei Tage vor dem Zeitplan

Samstag, 05.07.:


Trotz kurzer Nacht stehen wir um fünf Uhr auf. Nici kocht Kaffee und Tee und der Skipper beginnt mit den Vorbereitungen für das Auslaufen. Der Wind kommt achterlich, mal von Backbord und mal von Steuerbord. Es ist nicht ganz einfach zu entscheiden, welche Leinen schon wegkönnen.

Unser Ablegemanöver klappt sehr gut und schon um 05:40 Uhr steckt die „NYALA“ die  Nase zwischen den Hafenmolen seewärts. Es ist relativ schwachwindig, öfters fegen jedoch Böen bis 18 Knoten über uns. Deshalb legen wir die 26 Meilen nach Mellerstön mal unter Maschine und mal nur unter Genua 2 zurück, wobei der Dieselanteil überwiegt.

Schon um 10:30 Uhr liegen wir als einziges Boot längsseits in Mellerstön fest. Beim Anlegen probieren wir zum ersten Mal unsere „Walkie-Talkies“ mit Ohrhöhrern aus, die wir uns im Winter gegönnt haben. Erneut ein wundervoller und romantischer Platz. Ich kann kaum glauben, dass wir hier wirklich allein sind. Aber das kann sich natürlich schnell ändern.

Nici plant schon ihr Sportprogramm aus Wandern und Schwimmen (inkl. Reinigung des Wasserpasses), während ich das Erlebte festhalte, die Selftailer der Winschen endlich sinnvoll einstelle und schon die Route für morgen plane.

Auch morgen wollen wir wieder zeitig los, damit wir nach den voraussichtlich 43 Seemeilen bis Kurjoviken/Skälleftehamn, noch ein wenig vom Tag haben. Für morgen scheinen uns die Wind- und Wettergötter hold zu sein. Es soll nordöstliche Winde mit zwei bis drei, in den Böen vier Beaufort geben. Ideales Wetter für unsere nächst Trainingseinheit.

Am  frühen Nachmittag legen wir uns für zwei Stündchen auf’s Ohr. Beim Wachwerden sind wir beide hungrig und vertilgen erstmal die restlichen Nudeln von gestern Abend, die immer noch gut schmecken. Völlig unverständlich ist uns, warum wir in diesem Paradies immer noch mutterseelenallein liegen dürfen. Es ist so unglaublich still hier, dass wir mit gedämpfter Stimme sprechen, um die bezaubernde Stimmung nicht zu stören. Als ich unseren Nudeltopf an einem Bändsel angeleint zum Vorspülen über Bord werfe, schreckt das Platschen einen großen Entenschwarm auf, der panisch die Flucht ergreift. Sorry für die Störung…

Den Abend verbringen wir mir Lesen und gehen wieder früh schlafen.

Sonntag, 06.07.:

Um viertel vor eins weckt mich meine Blase, sie möchte dringend geleert werden. Als ich schlaftrunken auf dem Rückweg ins Vorschiff unterwegs bin, fällt mir eine besondere Lichtstimmung auf, die es in dieser Form wohl nur in der Nähe oder nördlich des Polarkreises gibt. Um den angriffslustigen Mücken keine großen Einflugschneisen zu öffnen, mache ich zum Fotografieren nur das Fenster über der Pantry auf. Das Lichterspiel raubt mir fast den Atem. Nachdem ich mich sattgesehen habe, gehe ich wieder auf die Koje, drehe mich um und schlafe schnell wieder ein.

Wie schon gestern klingelt um fünf Uhr der Wecker und die Bordroutine beginnt. Skip bereitet das Auslaufen vor, Nici kocht Kaffee und Tee und hilft mir danach beim Falten der Baumpersenning. Um zehn vor sechs laufen wir aus unserer „Paradiesbucht“ aus, setzen nach nur 0,2 Seemeilen unter Motor die Segel und schalten das „Rütteleisen“ ab.

Gemächlich schiebt sich „NYALA“ bei raumen Wind mit 10 – 12 Knoten nach Süden. Im freien Wasser raumt der Wind immer mehr, bleibt leider aber zu spitz zum Ausbaumen. Zumindest zeitweise flaut es so weit ab, dass die Segel jämmerlich im Rigg schlagen, was sich aber nicht vermeiden lässt.

Das Frühstück nehmen wir bei feinster Sonne, aber immer noch recht niedrigen Temperaturen im Cockpit ein und freuen uns über den schönen Morgen und unsere Entspannung.

Zum Zeitvertreib räumen wir die Segellast einmal komplett aus, stellen die Segel zum Lüften in die Sonne, packen den Spi neu und stauen ein paar Getränke um. Eine Flasche Mount Gay, eine Palette Jever und eine Palette Cola Zero wird in den Salon umgestaut. Eine Stunde später kommen die Segel wieder in Ihr „Verlies“ im Bug. Diesmal in der Reihenfolge Spinnaker, Gennaker, Code Zero. Letzteren legen wir in großen Buchten – ready to hoist – ohne Sack in die Segellast.

Um halb zwölf haben wir trotzdem schon 28 der insgesamt 43 Seemeilenbis Skelleftehamn im Kielwasser. Wind und Wetter sollen in den nächsten Tagen ungünstiger werden. Deshalb entschließen wir uns nicht nach Skelleftehamn-Kurjoviken, sondern entweder fünfzehn oder gar fünfundzwanzig Meilen nach Bjuröklubb oder sogar bis Kallviken weiterzulaufen. Beides sind sehr kleine Häfen ohne großen Hafenservice, aber wir sind ja weitgehend autark.

Zum Mittagessen gibt es belegte Brote, heute Abend kocht uns Nici Spaghette Bolognese, auf die ich mich schon sehr freue. Von den kaum sommerlichen Temperaturen mal abgesehen haben wir einen traumhaften Segeltag.

Etwa eine Meile südöstlich von Kallviken bergen wir das Großsegel und laufen langsam unter Motor in die schlauchartige Bucht von Kallviken. Der „Gasthafen besteht im Wesentlichen aus einem Schwimmsteg und einem Plumpsklo, diesmal aber mit Landstrom.

Dafür wären 175 Schwedenkronen fällig, die aber nur mit „Swish“, einem rein schwedischen Zahlungssystem zu bezahlen wären. Selbst Frau Google kann uns nicht mit einem Lösungsansatz für unser Zahlungsproblem weiterhelfen. Unter www.gästhamsguiden.se finden wir immerhin die Email-Adresse eines für den Hafen zuständigen Herrn namens Göran, dem ich unser Problem schriftlich schildere. Leider nicht zustellbar! Mehr können wir nicht tun…

Es war ein langer und am Nachmittag auch sehr kalter Segeltag. Ich bin ein wenig stolz, dass wir auch diesen Tag gemeinsam gut gemeistert haben. Saubere Hafenmannöver, tadelloses Segeln, gute Stimmung  und 64 Seemeilen im Kielwasser. Wir haben schon jetzt zwei Tage „Vorsprung“ in unserem Zeitplan. Ein beruhigendes Gefühl, weil wir dann bei ungünstigen Bedingungen auch mal einen oder zwei Tage liegen bleiben können, ohne in Zeitnot zu geraten.

Einziges wirkliches Ärgernis waren aus meiner Sicht heute lediglich die recht spärlichen Informationen zu fast allen ins Auge gefassten Gasthäfen. Weder in gedruckter, noch in digitaler Form gab es von Kallviken einen vernünftigen Hafenplan. Umso schöner allerdings, dass wir wieder einen tollen und recht einsamen Hafen für die Nacht gefunden haben.

Eine halbe Stunde nach uns kommt noch eine deutsche Dehler 38, die sich an den Anker legt und ein alter schwedischer Halbtonner in den Hafen. Der Schwede ist bereit, für uns das Hafengeld – gegen Barzahlung von 16 Euro per Swish zu bezahlen. So brauchten wir doch nicht die Zeche prellen…

Zum Abendessen genießen wir Nici’s leckere Bolognese-Pasta und ein Glas vom guten Weißwein. Morgen können wir wahrscheinlich ausschlafen, weil wir möglichst nicht im Regen segeln wollen, der für den gesamten Vormittag und den frühen Nachmittag angesagt ist. Die 26 Seemeilen nach Ratan schaffen wir auch bei einem späteren Start.

Da unser Müllbeutel gestern nicht auf Mellerstön geleert werden konnte, wird es heute Zeit für eine Leerung. Direkt am Hafen finden wir keine Mülltonnen, aber immerhin ein Stückchen weiter die Straße entlang.

Dort finden wir auch ein Schild, was einiges über die Geschichte von Kallviken erzählt. Seit etwa 1600 war der Naturhafen eine wichtige Drehscheibe für die Passagier- und Frachtschifffahrt nach Stockholm und insbesondere für den Export von Holz und Teer wohl mal sehr bedeutsam. Im frühen neunzehnten Jahrhundert gab es hier sogar eine Lotsenstation.Das letzte Frachtschiff kam hier also vor 60 Jahren her. Seitdem wird der Hafen nur noch von Wassertouristen besucht. Von den ehemals vier Gastronomiebetrieben scheint keiner übrig geblieben zu sein. Macht aber nix, ist trotzdem schön hier...



04.07.2025: Hindersön - Junkön - Lulea

Mittwoch, 02.07.:
Nach dem Gang auf das Plumpsklo gehe ich vor dem Frühstück nochmal am Saunahaus vorbei, um den Fahrplan des Ausflugsdampfer zu studieren. Da sehe ich im Fahrplan eine Haltestelle Junkön. Junkön? Da war ich doch 2018 schon mal. Schnell die alten Fotos angeguckt und tatsächlich, da war ich schon und hatte nur gute Erinnerungen daran.

Naja, fast nur gute. Weil es auf der Seite, wo wir damals mit der Baltic 37 lagen keinen Strom gab, habe ich damals eine mit einer Winschkurbel beschwerte Wurfleine quer über den schmalen Hafen geworfen, um daran unser Landstromkabel auf die andere Hafenseite zu ziehen. Leider verfing sich die Leine im Nachbarrigg und die Kurbel polterte an Deck, zum Glück ohne Schaden.

Schnell ist  die Crew überzeugt, nun nicht sofort nach Luleå, sondern erst nach Junkön zu fahren, was nur 12 Seemeilen entfernt ist. Nach zwei Stunden unter Motor machen wir an der gleichen Stelle längsseits fest wie damals. Und wieder sind alle hellauf begeistert von diesem sehr idyllischen Kleinod im Luleå Schärengarten.

Wieder vertrödeln wir den Tag, lesen, schlafen, schreiben und faulenzen. Zum Abendessen gibt es Hausmannskost: Rouladen mit Klößen und Bohnen. Danach eine Handvoll Campino-Bonbons für jeden. Oberprima! Morgen wollen wir um neun Uhr los, um in Luleå unsere neue Druckwasserpumpe in Empfang zu nehmen und gleich einzubauen. Hoffentlich liegt unser Druckwasserproblem tatsächlich an der Pumpe.


Donnerstag, 03.07.:
Heute morgen kommen wir richtig früh „in die Gänge“. Schon um halb acht sind wir unterwegs ins zwölf Meilen entfernte Luleå, wo unsere Crew planmäßig aussteigen wird. Leider kommt der Wind von vorn, somit müssen wir leider motoren, obwohl wir gern zum Abschluss unserer Reise gern noch einen Schlag gesegelt wären.

Auf dem Weg dorthin lasse ich nochmals kurz den Watermaker laufen und spüle ihn anschließend. Dabei fällt mir auf, dass unter dem Watermaker eine kleine Pfütze steht. Er muss also doch irgendwo eine Undichtigkeit haben. Tatsächlich findet Jörg die Quelle. Es ist eine Schlauchverbindung der Frischwasserleitung, die zum Tank führt. Dummerweise hat die Werft das so installiert, dass das Frischwasser in die Saugleitung des Druckwassersystems führt. Sollte das etwa auch die Ursache für unsere fortwährenden Probleme mit dem Druckwassersystem sein?

Zwei Stunden später machen wir im Ettans Gästhamn sehr stadtnah fest.  Jörg und ich kümmern uns um das Watermaker/Druckwasserproblem und schicken die anderen „ins Exil“, um hier in Ruhe arbeiten zu können. Sie sollen erst einkaufen und sich dann die Stadt anschauen.

Nach einer Weile sind Nici, Willem und Jürgen zurück, liefern die Einkäufe ab und sollen dann – eigentlich – sofort wieder losziehen. Jürgen turnt uns leider noch ein wenig zwischen den Füßen, was etwas nervt, weil er ausgerechnet an die Stauräume muss, wo wir gerade arbeiten.

Zuerst nimmt sich Jörg das Leck am Watermaker vor. Die Steckverbindung des Schlauchs steckte nicht richtig drauf. Außerdem wurde die Verbindung noch durch eine – eigentlich der Zugentlastung dienende -  Rohrschelle an einem anderen Schlauch belastet, was wahrscheinlich zum Problem führte.

Danach ist die Pumpe dran: Saugseite trennen, Schlauch drauf, den in einen Topf mit Wasser gestellt und Druckwasserpumpe eingeschaltet. Das Ding fördert  jetzt einwandfrei. Nun müssen wir noch das ganze System entlüften, dann sollte vorerst alles gut sein. 

Ärgerlich ist, dass ich nun gleich zwei Reservepumpen für das Druckwassersystem habe, eine an Bord für gut zweihundert Euro und eine in der Segelkammer in Kappeln.Die hätten wir uns sparen können, wenn Breehorn unserer Reklamation mit der zu lauten und immer wieder anspringenden Pumpe gewissenhaft nachgegangen wäre und vor allem den Watermaker getestet hätte, dessen unsaubere Installation nun schon zum zweiten Mal Probleme machte. Insgesamt haben Jörg und ich sicher 15 Mannstunden in die Fehlersuche gesteckt.

Erst am Nachmittag sind wir mit allem fertig und haben die Pantry und die Koje an Backbord wieder zurückgebaut. 

Jörg und Jürgen packen Ihre Klamotten zusammen, Wilhelm will das erst nach dem Essen tun. Jürgen möchte sein Ölzeug an Bord lassen, vermutlich, weil er noch von Kiel oder Cuxhaven mit über die Nordsee segeln möchte.

Wir haben zwar über die Idee gesprochen, eine konkrete Zusage gab es jedoch bisher weder von ihm noch von mir. Nici und ich sind momentan unsicher, ob wir das möchten. Auch wenn es nicht zu ernsten Auseinandersetzungen zwischen uns kam, haben wir uns nicht immer wohl mit Jürgen gefühlt, weil er sich öfter – besonders in den letzten Tagen – nicht gerade als Teamplayer gezeigt hat. Aber wie das halt so ist, negative Eindrücke vergisst man ja immer schneller als positive…

Einen überaus positiven Eindruck haben hingegen Jörg und Willem sowohl bei Nici als auch bei mir hinterlassen. Mit den beiden Jungs würden wir jederzeit auf jedem Revier sehr gern wieder segeln. Jörg hat uns schon fast sicher versprochen, die Rücküberführung nach Woudsend mitzufahren, worüber wir uns sehr freuen.

Es war eine gute Zeit mit den drei Jungs an Bord, die Midsummersail eine tolle Erfahrung. Selten (oder noch nie) hat mich ein Ostseetörn so angestrengt, wie diese Regatta, die nun wirklich alles geboten hat. Besonders stolz bin ich darauf, dass Nici sich nicht nur hervorragend geschlagen hat, sondern auch noch sehr viel Spaß bei der Segelei hatte.

Ich bin zuversichtlich, dass wir auch die nächste Etappe zu zweit ordentlich meistern werden, auch wenn ich noch ordentlich Respekt vor den Hafenmanövern mit dem großen und schweren Boot zu zweit habe. Ich weiß aber ganz sicher, dass Nici alles geben wird und das fühlt sich für mich ganz toll an.

Zum Abendessen lädt Jörg zum Italiener am Hafen ein. Es gibt eine hervorragende Pizza für uns Männer und eine exzellentes Pasta-Gericht für Nici. Dazu ein paar leckere Biere aus der lokalen Brauerei, es geht uns gut. Wir gehen früh auf die Kojen, weil unsere Mannschaft morgen schon um drei Uhr aufstehen muss.


Freitag, 04.07.:

Um kurz nach drei sind alle wach und auf, Nici kocht der abmusternden Mannschaft noch einen Kaffee zum Wachwerden, um viertel vor vier mustern die drei ab und fahren mit dem Taxi zum Flughafen. Um sechs geht der Flieger nach Stockholm, wo die drei dann nach vier Stunden Aufenthalt dann weiter nach Hamburg fliegen.

Jörg und Willem verabschieden sich sehr herzlich von uns und bedanken sich (nochmals) bei uns beiden.Die Verabschiedung von Jürgen ist etwas seltsam, auch ein Dankeschön von ihm vermissen wir beide.

Wir schlafen noch eine Runde, nehmen eine ordentliche Dusche an Land und frühstücken mit frischen Sauerteigbrötchen und leckerem Baguette aus dem Supermarkt nebenan. Nach dem Frühstück mache ich noch ein paar Wartungsarbeiten am Boot, während Nici sämtliche Crewkleidung der Jungs wäscht, trocknet (womit sie schon gestern begonnen hat) und zusammenlegt. Außerdem macht sie noch Großreinschiff in Pantry und WC.

Anschließend machen wir ein Spaziergang in die – nicht wirklich schöne – Stadt, nehmen dort einen leichten Lunch in Form eines recht leckeren Burgers mit Pommes Frites und schauen uns dann noch die Domkirche im neugotischen Stil an, die beim Stadtbrand 1887als eines der wenigen Bauwerke „überlebt“ hat. Fast die ganze Stadt brannte damals ab und musste danach, leider ziemlich trist, wieder aufgebaut werden.

Neben der Kirche ist ein alter von der Motala-Verkstad 1950 gebauter Verladekran im Nordhafen eines der schönsten Bauwerke im Hafen…

Am Nachmittag decken wir uns noch mit einigem Frischproviant ein, weil wir in den nächsten Tagen überwiegend kleine Häfen und Ankerbuchten mit eingeschränkten Versorgungsmöglichkeiten anlaufen werden.

Zum Abendessen gibt es Penne mit Rinderfilet-Gulasch (noch von Helgoland) in Champignon-Rotwein-Sahnesauße. Nicht schlecht gelungen…




01.07.2025: Hindersön - Angekommen im Paradies

Montag, 30.06.:
Wir gönnen uns noch einen Gammeltag in Törehamn, der für einen Gang ins zwei Kilometer entfernte Dorf , einen gründlichen Riggcheck und einem weiteren Reparaturversuch an unserem Druckwassersystem und einen bunten Abend mit den anderen Regattateilnehmern am Lagerfeuer verbracht wird.

Beim Riggcheck gab es keine negativen Befunde, das Druckwassersystem haben wir nicht in den Griff bekommen. Jörg meint, die Pumpe würde nicht richtig funktionieren, was aber nicht erklärt, warum wir immer wieder Luft in der Leitung haben. Als wir sehen, dass die beiden Frischwasser-Fußpumpen keine eigenen Saugleitungen haben und über eine Brücke an den Einhebelmischern in Pantry und WC angeschlossen wurden, beschließen wir die Fußpumpen vorerst außer Dienst zu stellen.
Von einem Schweden mit einem kleinen Trimaran erfahren wir, dass es in Lulea einen ordentlichen Bootsausrüster geben soll, der auch online verkauft. Dort wird eine neue (Membran)-Druckwasserpumpe bestellt. Wir hoffen, dass wir die Pumpe am Donnerstag abholen können.

Zum Bunten Abende am Lagerfeuer nehmen wir den Außenborder-Sprit „R“ Iwie Mount Gay-Rum) im 10-Liter-Kannister mit. Der Rum schmeckt allen hervorragend und der Füllstand des Kannisters nimmt zügig ab. Nici unterhält sich ausgiebig mit Birgit und Thomas, die mit ihrer Sonate Ovni 45 fünf Jahre lang die Welt umsegelt haben.

Im Laufe des Abends kommen noch weitere Boote an, die mit großem Hallo begrüßt werden. Ein wunderbarer Abend…


Dienstag, 01.07.2025

Heute haben wir genug von Törehamn und wollen langsam weiter. Da es in der Bottenvik nicht allzu viele Häfen und benannte Ankerbuchten gibt, entscheiden wir uns für Hindersön, ein winziger Hafen, zu dem es weder im Hamguiden noch unter www.gästhamsguiden.se eine präzise Beschreibung der Ansteuerung oder gar einen Hafenplan gibt.

Bevor wir richtig losfahren, müssen wir noch das obligatorische Tonnenfoto machen lassen. Die neben uns liegende "Steel" hat sich vorgedrängelt und braucht endlos lang, nicht nur für das Fotoshooting, sondern auch für das Ablegen von der Tonne. 

Nach 21 sm flotter Fahrt unter Maschine stehen wir vor der Bucht aufHindersön und wundern uns ein wenig über ein paar Fahrwassertonnen, die es auf unserer digitalen C-Map Karte nicht gibt. Ganz vorsichtig tasten wir uns in den Hafen, der zehn Gastyachten Platz auf ca. 3m Wassertiefe bietet.

Mein Gott, ist das idyllisch hier! Es gibt eine holzbefeuerte Sauna (ohne Dusche), ein Plumpsklo und sonst NICHTS. Kein Wasser, kein Strom, aber dafür Mücken ohne Ende. Etwa 300 Meter vom Hafen soll es ein „Sommarcafé“ geben. Jörg und Willem gehen auf Erkundungstour, weil wir eventuell dort zu Abend essen wollen.

Leider hat das sehr nett aussehende Café nur zwei Stunden in der Woche auf, nämlich Dienstag – was gepasst hätte – von 13 bis 15 Uhr. Ist aber nicht weiter tragisch, weil heute Morgen jemand versehentlich unsere Gefriebox ausgeschaltet hat, in der noch fünf Schnitzel und ein Stück Rinderfilet auf uns wartete. Daraus hat Nici dann ein sehr leckeres Geschnetzeltes mit Zwiebeln, Paprika und Knoblauch gekocht. Beim Reis hat sie sich ein wenig verkalkuliert, der hätte für eine halbe Kompanie gereicht.

Um viertel nach acht sind wir satt und müde, rauchen im Cockpit noch ein Zigarettchen und trinken einen Schluck Weißwein. Zum Schutz vor den Mücken haben wir den Niedergang mit den Steckschotten dicht gemacht und hören im Salon leise Simon and Garfunkel. Dann gehen wir früh auf die Kojen…

Ein paar Fotos von uns auf der Tonne und von Hindersön....



30.06.2025: Unterschiedliche Blickwinkel

Unten findet Ihr die Fotos, die ich gestern nicht mehr online gestellt hatte, weil wir einfach zu müde waren, nachdem Matthias und Thomas von der "Sammy" noch eine Weile bei uns an Bord waren, weil sie sich für die Breehorn interessierten. Wir hatten schon am Nachmittag mit dem sehr sympathischen und eher extrovertierten Skipper gesprochen, der uns seine persönliche Sichtweise auf diese Regatta nahegebracht hat.

Die beiden sind nur zu zweit auf der Faurby 440 gesegelt und haben uns trotzdem geschlagen, weil sie sich körperlich viel stärker belastet haben als das bei uns der Fall war. 

Fest eingeplant waren da jeweils zwei Stunden Wache, 30 min "Rüstzeit" davor und danach und nur eine Stunde wirklich planbares Fenster zum Schlafen alle vier Stunden, was in der Summe und nur theoretisch maximal sechs Stunden Schlaf pro Tag bedeutete. Im Kalmarsund haben die Jungs mal fünf Stunden geankert, um sich etwas zu erholen und dem stärksten Wind der Reise aus dem Weg zu gehen. Im Vergleich dazu war unser Wachrhythmus ein wahrer Erholungsurlaub.

Nach der Rückkehr vom Abendessen im Imbiss vom Campingplatz haben Nici und ich auch kurz mit einigen Crewmitliedern der "Marysol", einer Hanse 470 gesprochen, die zum ersten Mal schon bei der Einfahrt in die Hanöbucht vom AIS verschwand bzw. Richtung Simrishamn fuhr. Diese Crew hat - motiviert durch Seekrankheit und Ängste vor sehr viel Wind gleich zwei Übernachtungsstopps eingelegt. Was zählt ist aber, dass sie als Freunde angekommen sind, was auch bei uns zum Glück der Fall ist.

Am frühen Abend - man verliert durch das immer präsente Tageslicht in dieser Region total das Zeitgefühl - läuft auch ein nur siebeneinhalb Meter Trimaran ein, der den Sonderpreis für das kleinste Boot der Flotte und (wie jeder Gruppensieger) 1.000 € Preisgeld erhält. Der Eigner kommt aus der Nähe von Törehamn und ist schon den Weg zum Start gesegelt. 

Auch die Dehler 30 OD "Tschaika" lief am Nachmittag ein, die einhand gesegelt wurde. Der Eigner gilt als recht ehrgeizig und hat allein ungezählte Segelwechsel bewältigt. Er erzählte, wie fertig er bei der Ankunft war. Was für eine Leistung.

Eine ganz andere Sichtweise hat das Team der Wettfahrtleitung, bei der ich mich heute morgen nochmal persönlich für die investierte Arbeit und Zeit bedankt habe. Auf meine Frage, was das Team motiviert, sich Jahr für Jahr für die Teilnehmer den Arsch aufzureißen, jede Nacht ein paar Mal aufzustehen, um Neuankömmlinge persönlich zu begrüßen, antwortete der Wettfahrt-leiter Robert: "Es sind die glücklichen Gesichter der Segler, wenn sie hier ankommen, die mich motivieren. Das ist für mich der Hauptgrund..."

Und was war mein Hauptgrund für die Teilnahme? Ich wollte einfach nur mal wieder ein paar Tage am Stück segeln, ausprobieren, wie Nici und ich über mehrere Tage auf See miteinander funktionieren und harmonieren und auch das neue Boot unter Langfahrtbedingungen testen. Meine Ziele wurden alle erreicht...

Herzliche Grüße aus Törehamn,


Kiki




29.06.2025: Wir haben das Ziel in Törehamn erreicht 

Hier nun der letzte Bericht von der Midsummersail, die wir als 17. von 83 gestarteten Booten erfolgreich abgeschlossen haben:


Samstag, 28.06.:
Das Abwarten (auf „Jagderfolg“) war leider erfolglos. Die Konkurrenz hinter uns konnte zwar weiter zurückgelassen und teilweise – wegen weiterer Aufgaben von Teilnehmern – dezimiert werden, der Abstand zu den vor uns fahrenden Yachten hat sich leider weiter vergrößert. Unser 18. Platz scheint sich also zu manifestieren. Das ist zwar ein wenig schade, aber leider nicht zu ändern.

Der gestrige Abend war leider ziemlich flau, über ab und zu Mal sechs Knoten Wind haben wir uns in den Abendstunden schon wirklich gefreut. Trotzdem haben wir es gestern immer noch auf ein Etmal von 145,5 Seemeilen gebracht.

Für ein wenig Verwirrung sorgte gestern Abend eine Kappe aus Edelstahl, die Jörg beim Rückweg vom Vorschiff an Deck fand. Irgendwelche Teile aus dem Rigg?? Die sofortige Kontrolle ergab, dass die Bolzen im Baumniederholer axial durch diese Edelstahlkappen und M4 x 16 Senkschrauben gesichert werden. Statt diese Schrauben mit Loctite Schraubensicherung (mittelfest) zu sichern, waren die Schrauben gefettet. Zum Glück sind noch alle Kappen da, aber passende Schrauben habe ich nicht an Bord. 

Der Einbau der herausgefallenen Kappe gestaltet sich etwas schwierig, da es nicht ganz trivial ist beim Segeln die genaue Flucht von Bohrung und Kappe hinzubekommen, weil das Großsegel ja ständig andere Zugkräfte und -Winkel auf den hydraulischen Baumniederholer ausüben. Mit Ruckelei und „Argumentationsverstärker“ in Form eines 500g-Schlosserhammers bekommen Jörg und ich das aber hin. Die axiale Sicherung müssen nun provisorisch ein paar Tapestreifen übernehmen.

Die Nacht wird wieder sehr flau, ständig müssen wir nach Windfeldern suchen, um überhaupt ein wenig voranzukommen. Jürgen und Willem wechseln in der 04 bis 08 Uhr-Wache nochmal auf den Code Zero, um überhaupt ein wenig Fahrt zu machen. Über ein paar Stunden geht in der Nacht allerdings gar nichts, die Genua wurde deshalb – absolut richtig – eingerollt und das Groß dichtgeholt und flachgetrimmt, um das Schlagen des Segels auf ein Minimum zu reduzieren.

Morgens um viertel nach neun, kurz nach dem Frühstücken und Abbacken, setzt eine leichte Brise aus Süden ein, Zeit den Spinnaker zu setzen. Blöd ist, dass sowohl Jörg als auch ich eigentlich erstmal ein längeres Gespräch mit der Firma Jabsco führen müssten, womit ein größerer WC-Gang gemeint ist.

Wir verkneifen uns das und setzen die Prioritäten zugunsten der Regatta. Arschbacken zusammengekniffen und Spi gesetzt. Sofort setzt sich unser 14-Tonnen-Provianttransporter in Bewegung. Es ist zwar keine Rauschefahrt, doch nach stundenlangem Stehen auf der Stelle kommen uns dreieinhalb bis vier Knoten Fahrt schon wie eine Erlösung vor.

Um zwölf Uhr sieht es im Gesamtklassement wie folgt aus:

Gemeldete Boote: 99
Insgesamt gestartete Boote: 83
Noch in der Wertung befindliche Boote: 45
Bisher durchs Ziel gegangenen Boote: 6, davon 5 Monohulls

Noch zu segelnde Distanz NYALA (Pl. 18): 117 sm
Noch zu segelnde Distanz SAMMY (Pl. 17): 80 sm
Noch zu segelnde Distanz OLIVER (Pl. 19): 149 sm

Sehr schade ist, dass wir vor unserem Genuaschaden noch in der Spitzengruppe lagen und dann so zurückgefallen sind. Wenn man jedoch bedenkt, dass wir in der Crewkonstellation noch nie zusammen gesegelt sind und zwei „Dickschiffsregatta-Greenhorns“ an Bord haben, bin ich sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Ich freue mich sehr darüber, dass sich die „NYALA“ und unsere zusammengewürfelte Crew so gut geschlagen hat und darüber, dass ich manchem Kritiker zeigen konnte, „wo die Orgel Luft holt“.

Etliche Leute aus dem Bekannten- und Freundeskreis haben mich für verrückt erklärt, als ich mit dem Plan rauskam, mit dem nagelneuen Boot gleich an der Midsummersail, also einer echten Marathon-Regatta, teilnehmen zu wollen. „Das geht schief“ oder „Na, dann plan schon mal ein paar Reparaturstops und Stress in der Crew ein“ und ähnliche Kommentare durfte ich mir anhören.

Ihr hattet Unrecht, liebe Kritiker… Wir waren bisher eine sehr harmonische Crew, in der jeder sein Bestes gegeben hat und hatten ein sehr gutes Boot. Keine „Rennziege“, aber ein schnelles Langfahrtboot, auf das man sich verlassen kann.

Am Nachmittag frischt der Wind kräftig auf. Wir müssen fast platt vor dem Laken fahren, um unseren Sollkurs in die Ansteuerung nach Törehamn halten zu können. Um nicht den Spi und eine Patenthalse zu riskieren, steuern jetzt nur noch Jörg, Willem und ich.

Geplant war, den Spi über 20 Knoten Windspeed true zu bergen. Dann liefen wir jedoch sehr zügig auf die Oceanis 41 „Steel“ auf, die wir – wie manch andere Yacht – schon einmal (vor unserem Genua-malheur) weit hinter uns gelassen hatten.
Jetzt bleibt der Spi oben, auch wenn es teilweise mit 24 Knoten weht. Die Folge davon sind herrliche Surfs, regelmäßig mit über zehn, manchmal auch über 12 Knoten Höchstgeschwindigkeit bei höchstens anderthalb Meter Welle.

Um 19:10 Uhr ist die „Steel“ an Steuerbord querab. Schon von Weitem konnten wir sehen, dass sie keinen Spinnaker oder Gennaker, sondern eine nicht einmal ausgebaumte Genua vor dem gerefften und schlecht getrimmten Großsegel fuhr. Zugegebenermaßen war der Großtrimm wohl schlecht für den Steuermann zu sehen, weil ein riesiges Biminitop den Blick ins Segel versperrt.

Trotzdem bin ich skeptisch, ob wir die „Steel“ auch im Ziel hinter uns haben werden. Ich habe mich für den weiteren, dafür aber sicheren Weg nach Törehamn entschieden, der auch von kleineren Frachtschiffen befahren werden könnte und befürchte, dass die „Steel“ sich für den etwa fünf Meilen kürzeren, aber auch gefährlicheren Weg entscheiden wird.

Egal, es kommt nicht darauf an, ob wir nun 17. oder 18. werden. Hauptsache ohne Grundberührung ankommen… Gegen 23 Uhr stehen wir in der Ansteuerung in den Fjord nach Törehamn und laufen immer noch sehr gut. Vor uns parken etliche Boote regelrecht ein, was uns nochmal näher rankommen lässt. Wie aber jeder weiß ist Ranfahren das eine, Vorbeifahren aber ein ganz anderes Ding. 

Trotzdem ist es spannend. Jürgen und Willem glotzen dauern auf den Racetracker, der nun alle 15 Minuten upgedatet wird. Das nervt mich ein wenig, auch wenn ich die Euphorie verstehen kann. Noch 12 Seemeilen bis zum Ziel…


Sonntag, 29.06.:

Das Racetracking geht weiter. Um 01:00 Uhr steht die „Steel“ noch hinter uns. Wir sind gespannt, wer von uns besser aus den Schären kommt. Die Konkurrenz ist auf dem AIS momentan nicht zu sehen. Entweder ist das Tarnung oder liegt an der zu hohen Insel zwischen uns.

Es regnet leider unaufhörlich, so hatten wir uns unsere Ankunft nicht vorgestellt. Außerdem schläft noch der Wind ein. Mit nur drei Knoten Fahrt schleichen wir um 03:40 Uhr über die Ziellinie, wo uns ein kleines Kommitee mit einem Mini-Fläschchen Gin und den Finisher-Medaillen empfängt.

Wir machen neben der Norlin 41 „Gerda-Ulrika“ fest, die Doublehand gesegelt wurde. Sofort nach dem Festmachen kommen die Bierdosen und der Weinschlauch aus dem Kühlschrank. Aus dem geplanten großen Besäufnis wird nichts, weil wir nach nur zwei Getränken hackenstramm sind. Trotzdem wird auch die Zweimann-Crew der „Steel“ noch zum Absacker eingeladen, die mehr als eine Stunde nach uns ins Ziel kriecht.

Um halb acht (morgens) gehen wir dann endlich in die Kojen und fallen in einen komatösen Schlaf.

Das Abenteuer Midsummersail ist vorbei, ein weiterer Punkt auf meiner Bucket-List abgehakt. Jetzt habe ich - vorerst - nur noch zwei Punkte offen, über die ich zu einem anderen Zeitpunkt berichten möchte.

PS: Fotos kommrn morgen, vorerst sind wir mal kaputt wie Hund..


27.06.2025

Donnerstag, 26.06.:

Als ich um Mitternacht aus Solidarität und um die „Buchführung“ zu machen mit aufstehe, ist im Cockpit eine sehr gelöste Stimmung, obwohl die Bedingungen alles andere als toll sind. Die Genua ist auf Arbeitsfockgröße gerefft, das Großsegel flachgetrimmt, die Segel schlagen rhythmisch hin und her und verbreiten fiese Geräusche. Totenflaute. Immerhin treibt uns ein gnädiger Strom mit einem halben Knoten Fahrt in die richtige Richtung.

Heute scheint die erste Nacht zu sein, in der es nicht mehr dunkel wird. Um ein Uhr ist der Himmel glutrot. Kurz vor dem Aufstehen hatte ich minutenlange Krämpfe in den Beinen. Auch Jörg hat seit ein paar Tagen Probleme damit. Gut, dass unsere Bordärztin Nici auch für solche Fälle gut vorgesorgt hat. Sie füttert mich mit Buscopan und schnell wirkendem Magnesium und bald geht es besser. Nici diagnostiziert Muskelüberlastung als Ursache für die Krämpfe. Vielleicht war es die Segelschlepperei beim Segelmacher gestern…

Die Stimmung im Cockpit ist fröhlich, fast ausgelassen. Willem und Jürgen haben einen Mitbewerber, die Faurby 410 „Sammy“ in Sichtweite, auf die wir langsam auflaufen. Wir fahren mit dichten Schoten fast maximale Höhe, noch weht eine nette Brise und treibt uns mit Generalkurs 10° und fast sieben Knoten Speed über Grund nach Norden.

In der Wertung haben wir uns inzwischen auf Platz 18 vorgearbeitet. An der Spitze beeindruckt uns die Arcona 385 „Lightworks“ immer mehr, die nur elf Seemeilen hinter dem Dragonfly 40 „Flying Dragon“ aus Dänemark liegt. Absolute Spitzenklasse, wie gut diese Mannschaft segelt.

Jürgen bereitet uns heute ein leckeres Frühstück, das wir wie fast immer im Cockpit einnehmen. Dazu scheint die Sonne und alle sind gut drauf. Trotz dem herben Verlust in der Platzierung durch unseren Genuaschaden wirken alle heute besonders motiviert. Wer weiß, vielleicht geht ja noch mehr…

Gegen Mittag schläft der Wind wieder so weit ein, dass die Segel nur hin- und herschlagen. Zur Vermeidung von weiteren Segelschäden rollen wir die Genua so weit ein, dass die Achterliekspartie von den Wanten und Salingen freibleibt.
Am Nachmittag bergen wir das Großsegel, um nochmals den Fallverschleiß zu kontrollieren, nachdem wir das Fall am Kopfbrett in der achteren Kausch eingeschäkelt haben. 

Diesmal ist das Fall zwar weitgehend unversehrt geblieben, dafür hat es den Großsegelkopf ein Stückweit durch das – außerdem verbogene -  Kopfbrett gezogen. Hier scheint die Position der Großfallrolle nicht zum Kopfbrett des Segels zu passen. Mist, hoffentlich bekommen wir nicht auch mit dem Groß noch Probleme. Rein vorsichtshalber ziehe ich an der Dirk ein neues bzw. weiteres 12 mm dickes Dyneemafall in den Mast. Wir wollen versuchen, ob das besser funktioniert und weniger materialmordend ist.

Die Kapriolen des Windes haben uns heute bisher schon ein paar Wechsel zwischen Code Zero und Genua gekostet. Als am späteren Nachmittag der Wind langsam von Nordwest über Nordost auf Südost dreht, können wir zum ersten Mal den nagelneuen Spinnaker setzen. Das Ding ist eigentlich zu schwer für Flaute. Bei fast achterlichen Wind würde der etwas leichtere Gennaker aber keinen Sinn machen.

Etwa vier Seemeilen vor uns fährt die Faurby 400 „Sammy“, sieben Meilen hinter uns die Bestevaer 45 „Anorak“. Die Bastelei mit dem Großsegel hat uns wieder etwas Zeit gekostet, was zwar ärgerlich, aber kaum zu ändern ist.
Zum krönenden Abschluss des Tages gibt es Penne Carbonara nach dem Rezept unseres Lieblings-italieners Francesco Diana.

Nun geht es unter Spinnaker in die – sehr kurze und recht helle – Nacht. Wie immer bei solchen Bedingungen muss ich dabei an die Daimler Chrysler North Atlantic Challenge denken, die ich im Jahr 2003 auf der 46 er Swan „Rarotonga“ gesegelt habe.

Als wir im ersten Drittel des bis dahin recht ordentlich für uns verlaufenden Rennens in der Abend-dämmerung wunderbar unter Spi liefen, ließ der Eigner den Spinnaker bergen, was mich völlig fassungslos machte. Noch ein paar Wochen vorher hat er vor versammelter Mannschaft getönt, dass es eine Schmach für ihn wäre, bei der Siegerehrung nicht auf dem Treppchen zu stehen. Leider war das damals nicht die einzige komplett falsche Entscheidung, die der Mann getroffen hat.

Wenn ich aus heutiger Sicht darüber nachdenke, kann ich seine Sichtweise (die Sicherheit geht vor) deutlich besser verstehen als noch vor 20 Jahren. Trotzdem war das mit das Schlechteste, was ich je beim Segeln erlebt habe.

Nachdem wir nun selbst schon ein paar Probleme mit unseren Segeln hatten und haben, bin ich selbst viel vorsichtiger als früher und schone das Material, aber Regatta ist nun mal Regatta; wie ich in der kommenden Nacht mal wieder spüre.Bis 23:00 Uhr bin ich mit Jörg und Nici an Deck und trimme den Spi, dann ist mein Akku leer für heute und ich lege mich – quasi auf Standby – auf die Luv-Salonkoje.

Freitag, 27.06.:

Um kurz vor zwei weckt mich Willem und berichtet, dass der Wind soweit geschralt hat, dass wir unseren Kurs unter Spinnaker nicht mehr halten können. Ich werde zum Segelwechsel an Deck gebraucht.

Willem und Jürgen waren sich unsicher, ob wir nun lieber auf den Code 0 oder den Gennaker A2 wechseln sollen und haben deshalb – dankenswerterweise – beide Segel schon klar zum Setzen gemacht. Auch das Cockpit ist schon komplett vorbereitet.
Ich hatte im Frühjahr ein wenig Bedenken, ob ein so junger Mensch wie Willem gut in die Crew passen würde. Diese waren absolut unberechtigt, Willem macht einen hervorragenden Job als Wachführer und begeistert mit seiner Ruhe, Freundlichkeit und Umsicht.

Schnell steht der Gennaker und mit etwa einem Dreiviertelknoten Speed mehr als vorher verfolgen wir weiter die verdammte Faurby „Sammy“, die sich sehr tapfer gegen jeden Überholversuch von uns wehrt.Nach Segelwechsel, Logbuchzeile und Zigarette gehe ich wieder auf die Koje, benötige aber eine ganze Weile, bis ich wieder einschlafe.

Gefühlte anderthalb Stunden später ist der nächste Segelwechsel fällig. Der Wind hat noch mehr geschralt, es wird Zeit für die Genua. Schlecht gelaunt und mit dementsprechend ruppigem Ton stehe ich auf und stelle mich ans Rad. Diesmal ist das Manöver nicht ganz so perfekt vorbereitet und außerdem haben Jörg und ich unterschiedliche gewohnte Abläufe für das Bergen des Gennakers.

Kurz giften wir uns an und Jörg tritt – allerdings nur für Sekunden in den Streik – wobei die Niederholleine des Bergestrumpf ausweht. Jörg kann sie zum Glück schnell wieder einfangen. Als das Mannöver abgeschlossen ist, verhole ich mich ziemlich wütend ins Vorschiff, um dort hoffentlich ein wenig länger schlafen zu können.

Angeblich um mich vom Bordgeschehen ein wenig besser abzuschirmen und mir so die Ruhepause zu gönnen, die ich dringend brauchte, hat Nici dann die Tür zum Vorschiff zugemacht. Tatsächlich bin ich dann nach einer Weile Schmollen so tief eingeschlafen, dass ich den nächsten von Willem und Jürgen durchgeführten Segelwechsel von der Genua auf den Code 0 gar nicht mitbekommen habe.

Erst um neun Uhr (das Frühstück ist längst vorbei) werde ich kurz wach und vermisse meine Liebste neben mir, die es sich auf Jürgens Koje bequem gemacht hat. Als ich nach ihr schaue, kommt sie dann mit ins Vorschiff, wo wir engumschlungen sofort wieder einschlafen.

Um viertel vor zwölf bin ich wirklich ausgeschlafen und hungrig wie ein Wolf. Schnell ist ein leckeres Omelett mit Paprika und Käse für die Mannschaft fertig und die gute Laune ist auch wieder zurück. Über unsere Auseinandersetzung können Jörg und ich schon wieder lachen.

Wachführer Willem berichtet von der aktuellen Situation: Die „Sammy“ ist bei dem leichten Wind etwas schneller als wir – was aufgrund der nur etwa halb so hohen Verdrängung nicht weiter verwunderlich ist, die Bestevaer 45 hinter uns fällt immer weiter zurück und wir alle drei haben den Abstand auf die vor uns fahrende Gruppe deutlich verkürzt.

Der Trimaran „Flying Dragon“ und die Arcona 385 „Lightworks“ sind bereits durchs Ziel gegangen, wir liegen mit 169 sm bis zum Ziel immer noch auf Platz 18. In Schlagdistanz liegen noch die „Sammy“ und die „Steel“. Realistisch ist für uns also ein 17. Platz möglich, wenn man unterstellt, dass wir die „Sammy“ wohl nicht mehr schlagen werden. Wenn wir in die Grütze fahren oder viel Pech haben sollten, kann sich unser bisheriges Ergebnis aber auch noch massiv verschlechtern.

Warten wir es mal ab….



25.06.2025

 Gestern  morgen hatte ich noch vom bisher schadensfreien Verlauf der bisherigen Regatta berichtet. Gegem 22:30 Uhr hat es dann in einer Wende unsere Genua erwischt, was uns nun  ca. 13 Stunden Zeit, etwa 75 Seemeilen und vor allem mindestens zwölf Plätze gekostet hat.

Immerhin sind wir ungeplant nach Mariehamn gekommen, der Skipper durfte seit vielen Jahren mal wieder Segelmacher spielen, wir haben ein paar Stunden richtig gut geschlafen und dürfen jetzt hoffentlich das Feld von hinten aufrollen. The fight goes on! 

Hier unsere Erlebnisse der letzten beiden Tage:

Dienstag, 24.06.:


Die ganze Nacht bläst es weiter sehr stark, ín der Spitze mit 38 Knoten in der 04-08 Wache. Diese Böe nutzt Willem aus, um den bisherigen Speedrekord der NYALA (12,6 Knoten auf der Nordsee) deutlich auf 13,4 Knoten zu verbessern.

Für den gesamten Vormittag ist Regen angesagt, aber irgendwie schaffen wir es nur ein paar Tropfen abzubekommen. Leider ist der Wind immer noch sehr böig, in den Böen sind wir mit einem Reff im Groß und der Kutterfock sehr üppig „betucht“, in den Löchern könnten wir gut die Genua vertragen. Die vielen Segelwechsel wären jedoch mit einer Zweier-Wache kaum zu bewerkstelligen. Also belassen wie es vorerst bei der Kutterfock und hoffen darauf, dass wir – wenn wir höher ranmüssen – damit genug Tuch oben haben.

Um 13:00 Uhr haben wir schon wieder 102 Meilen seit Mitternacht zurückgelegt und stehen momentan auf Platz 8. Viele Boote fahren durch die Stockholmer Schären, wir haben uns für „freies Wasser“ entschieden. Was besser ist, werden wir heute Nacht wissen. Wenn der Wind früher und weiter auf Nordwest dreht, haben die „Schärenfahrer“ einen Vorteil, der schwer wieder auszugleichen sein wird.

Am Abend wird das Wetter schlechter, es bewölkt sich immer mehr und es wird erneut böig. Auch die See wird unangenehmer. Tapfer kreuzen wir südwestlich von Mariehamn auf, trotzdem kommt uns die „Rusalka“, eine X412, die wir seit dem ersten Tag meistens in Sicht hatten, langsam aber beständig auf.

Gegen 22:30 Uhr wenden wir auf Backbordbug. Leider rollt sich die Schürze der Genua nicht nach innen in die Reling. Durch vorsichtiges Anluven versucht Jörg das Unterliek innerhalb des Zauns zu bekommen. Das gelingt auch, aber in Höhe der ersten Saling berührt die Achterliekspartie einmal kurz die Saling. Einen Moment später sehen wir das Desaster, die nagelneue Genua hat einen etwa 15cm langen und 10 cm hohen T-förmigen Riss, durch den das restliche Tageslicht scheint.

Scheiße, jetzt ist guter Rat teuer! Das Segel ist vom Regen klitschnass, außerdem haben wir kein Material für eine dauerhafte Reparatur mit. Wir brauchen einen Segelmacher. Eine Recherche im Internet weist aus, das es in der Region Stockholm einige Segelmacher – auch von UK Sails – gibt, aber dahin wollen wir nicht zurücklaufen.

Der nächste erreichbare Hafen ist Mariehamn, die Haupstadt der politisch zu Finnland gehörenden Alandinseln, auf segelbarem Kurs etwa 18 Seemeilen entfernt. Dort soll es aber zumindest laut Internet keine „moderne“ Segelmacherei geben. Auch sonst gibt es anscheinend keine Segelmacher in der Nähe, mir graut vor einem Trip von Schwedens Ostküste per Bus, Bahn oder Taxi nach Stockholm.

Weiterfahren mit dem „angeschreddertem“ Segel könnte vielleicht klappen, ist aber sehr riskant. Eine Reparatur mit Bordmitteln wäre wegen der Wind- und Wetterprognose erst übermorgen möglich. Wir entschließen uns nach Mariehamn abzulaufen, rollen unser „Sorgenkind“ weg und humpeln mit leicht geschricktem Großsegel Richtung Nordosten.

Mittwoch, 25.06.:


Neben harten Böen und Regen kommt jetzt noch Nebel auf, der zum Glück aber nur eine Stunde anhält. Inzwischen habe ich alle möglichen Mails an den Hafenmeister in Mariehamn, die Hafenbehörde und an drei Segelmacher in Stockholm geschrieben und einen Liegeplatz in Mariehamn reserviert.

Um  03:00 Uhr machen wir in der ASS-Marina im Westhafen von Mariehamn, gleich hinter dem Heck des ehemaligen Flying-P-Liner „Pommern“, einer riesigen Viermastbark fest. Jetzt sind erstmal ein paar Stunden Schlaf möglich, weil wir vor acht sicher niemanden erreichen.

Um sieben Uhr stehen Nici und ich unter der Dusche in dem modernen Yachthafen und gehen danach zur „Butik“ des Hafensmeisters, wo schon ein paar Pullover vor der Tür zum Kauf angeboten werden. Die Uhr dort zeigt schon halb neun. Stimmt, wir haben auf den Alands eine andere Zeitzone.

Der Hafenmeister gibt uns die Telefonnummer von Jouni, einem alten Segelmacher für Traditionssegler, meint aber, dass er nicht sicher sei, ob er uns helfen könne. Ich rufe ihn an und auch Jouni ist besorgt, ob er ein Carbonsegel wieder hinbekommt.
Auch seine Dacron-Vorräte seien stark begrenzt, aber er könnte in einer Stunde am Hafen sein, um das Segel abzuholen. Darüber freue ich mich sehr und bin zuversichtlich, dass wir das schon irgendwie hinbekommen. 

Jetzt also schnell das Segel abschlagen und falten und möglichst noch frühstücken.Nici backt schnell ein paar Brötchen auf und schmiert mir diese, während Willem, Jörg und ich die immer noch klatschnasse Genua bergen und falten. Als Nici die Brötchen gerade geschmiert hat, steht ein älterer Herr auf dem Steg und entpuppt sich als der Segelmacher. 

Jouni ist 76 Jahre alt und seine kleine Loft befindet sich auf der ersten Etage eines kleinen Holzhäuschens. Die Treppe ist so schmal, dass die gerollte Genua gerade so durchgeht. Allein bugsiere ich das schwere Segel in die Loft, wo Jouni den Schaden begutachtet.

Ein Carbonsegel hat er noch nie repariert und hat offensichtlich gehörig Respekt davor. Er zeigt mir seine Dacronreste und fängt an seine größte Nähmaschine und etliche IKEA-Tische so zu drapieren, dass wir mit der Reparatur beginnen können. Ich schneide derweil aus den wenigen Dacronresten ein paar Flicken zusammen.

Zunächst wird auf die Schadstelle beidseitig mit einigen Nähten ein 20 x 30 cm großer Flicken aufgenäht. Zum Schutz vor weiterer Beschädigung werden ebenfalls beidseitig einige keilförmige Patches aufgenäht, die zunächst nur untereinander vernäht und erst dann mit einer umlaufenden Naht auf das Segel genäht werden. Das Handling des Segels ist tricky, aber zu zweit machbar.

Jouni und ich sind uns sehr sympathisch, immer wieder lobt er meine sehr pragmatische Handlungsweise bei der Reparatur und meine Sachkenntnis. Als wir nach drei Stunden fertig sind und die Werkstatt aufgeräumt haben, nimmt er mir nur 140 Euro ab und meint, diesen Freundschaftspreis nur deshalb machen zu können, weil ich ihm so sympathisch war und weil er selbst eine Menge bei der Reparatur gelernt habe.

Ich bin sehr glücklich, als wir wieder am Hafen sind und das Segel angeschlagen haben. Den Tauwerkschäkel am Segelhals ersetzte ich durch eine Dyneema-Lasching, weil auch der Softschäkel, wie auch unser Großfall im Kopfbereich deutliche Verschleißspuren zeigte. Das Großfall wird schnell eingekürzt und um 13:15 werfen wir die Leinen los, um das Rennen wieder aufzunehmen. Insgesamt hat uns das Genua-Malheur etwa 13 Stunden gekostet, die nur mit einer „Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom-Taktik“ wieder aufgeholt werden können.

Das Race-Tracking zeigt, dass der große Teil des Feldes Richtung Rauma auf der finnischen Seite unterwegs ist. Die Predict Wind-Software räumt uns aber auch eine gute Chance auf der schwedischen Seite ein. Win oder die ist jetzt die Devise, wir entscheiden uns in der Beratung zwischen Skipper und den beiden Wachführern Jörg und Willem einstimmig und unabhängig voneinander für schwedische Seite. Das ist ein riskantes Spiel, was aber kalkulierbar erscheint.

Mit Westsüdwestkurs kreuzen wir auf die schwedische Seite, fahren also zunächst sogar vom Ziel weg. Um 17:15 Uhr werden wir auf Platz 23 der Liste geführt. Die Rusalka, die wir noch gestern Abend in Schlagdistanz hatten, liegt nun auf Platz 11 und hat unglaubliche 75 Seemeilen Vorsprung.  Es wird sehr spannend!




24.06.2025: Fotos von den Startvorbereitungen und vom Start

In der Bildergalerie unten findet Ihr einige Bilder vom Skipperbriefing und vom Start zur Midsummersail, die ich heute von der Webseite des Veranstalters herunterladen durfte. Es gab hier leider keine Copyright Hinweise. Rein vorsichtshalber weise ich darauf hin, dass Ihr die Bilder bitte nicht weiterleiten, veröffentlichen oder kommerziell nutzen dürft.



24.06.2025: Aufregendes Rennen 

Zum Wachwechsel um Mitternacht haben wir nach drei Tagen (davon zwei Flautentage) bereits ein gutes Drittel der Strecke hinter uns. Es weht mit 35 Knoten aus Westen, mit neun Knoten rauschen wir Richtung Alandsee und werden am Dienstagnachmittag wohl Stockholm passieren. 

An Bord herrscht beste Stimmung, es gibt keine Schäden und alles ist fein. Das Starterfeld wurde schon gründlich dezimiert, aber lest selbst, was uns bisher so alles passiert ist...

Herzliche Grüße,


Kiki und die NYALA Crew


Samstag, 21.06.:

Schon früh um sieben herrscht reges Treiben im Hafen. Hier und da wird noch jemand in den Mast gezogen, es werden Segel gewechselt und Schoten eingeschoren. Nici nutzt die vorerst letzte Chance auf einen Morgenspaziergang und versorgt uns wieder mit frischen Brötchen und Croissants.

Bereits um halb zehn laufen die ersten aus und machen sich unter Segeln auf den Weg zum etwa zehn Seemeilen südlich von Boltenhagen gelegenen Startgebiet an den Wismarer „Schwedenköpfen“. Wir brechen unter Maschine um halb elf mit der Masse der anderen Boote auf und laufen unter Maschine zum Start. Nici hat noch eine Maschine Weißes aufgesetzt.

Im Startgebiet angekommen machen wir uns Gedanken um eine halbwegs sinnvolle Starttaktik, was durchaus anspruchsvoll ist. Der Start erfolgt in nördlicher Richtung an einer relativ kurzen Linie, wo man weder von Westen noch von Osten – weil beidseits sehr flach –  ordentlich „Anlauf“ nehmen kann.

In unserer Gruppe starten zwar nur 21 Boote, dummerweise sind aber auch einige Boote aus dem Start vor uns, der bereits 15 Minuten (!!!) zurückliegt noch nicht über die Linie und stehen da dumm im Startgebiet rum. Trotzdem gelingt uns ein halbwegs ordentlicher Start. Mit guter Geschwindigkeit laufen wir in der Spitzengruppe nach Norden aus der Wismarbucht,  nur ganz wenige Boote sind wirklich schnelle als wir.

Querab von Timmendorf auf Poel gebe ich das Ruder an Jörg ab. Von Wind kann man inzwischen kaum noch sprechen, es flaut immer weiter ab. Dennoch freue ich mich diebisch über die unerwartet guten Leichtwindeigenschaften der Breehorn 44. Wir können einigen deutlich leichteren Booten Paroli bieten. So fahren wir zum Beispiel ganz locker unter der als echte Rakete geltenden „Black Maggy“, einem Open 40 durch. Der Eigner kann kaum glauben, was er da sieht.

Immer wieder wechseln wir zwischen Genua 2 und dem sehr guten Code Zero. Auch Gennaker und Spinnaker kommen kurz zum Einsatz, werden jedoch aufgrund des zu schwachen Windes schnell wieder geborgen oder erst gar nicht richtig gesetzt.
Es ist absolut tricky in dem großen Flautenloch, in dem wir rumeiern irgendwo einen kleinen Hauch Wind zu finden.

Zum Abendessen gibt es ein wahres Festmahl, was uns Nici zubereitet. Wir genießen ein am Stück gebratenes Rinderfilet mit einem leckeren Kartoffelgratin und Paprika-/Pilzrahmgemüse. Köstlich, die gesamte Crew ist begeistert. Nach dem Abbacken geht es auch für mich mal kurz auf die Koje, so richtig schlafen kann ich jedoch nicht.

Als ich nach etwa anderthalb Stunden wieder aufstehe wechseln Willem und Jürgen gerade von der Genua auf den Code 0, was uns signifikant schneller werden lässt. Gut so, weil wir inzwischen von Platz 17 auf 21 (von 83) zurückgefallen sind. Wirklich aussagekräftig ist diese Platzierung jedoch nicht, weil es keine Handicap-Wertung gibt. Es ist schwer einzuordnen, wo wir nach Yardstick oder ORC liegen würden, ich denke aber unter den Top 10.

Um 22:30 wird es langsam dunkel, die Positionslaternen werden eingeschaltet. Die erste Nacht auf See bricht an, in der der Wind irgendwann  auf Südost drehen und dann langsam zunehmen sollte.


Sonntag, 22.06.
I

n der Nacht haben wir uns bei ziemlicher Flaute (teilweise weniger als einen Knoten „Wind“) gegenüber den leichteren Booten etwas nach hinten gesegelt, insbesondere die heißen Light Displacementboote wie der OneOff „Black Mary“ und die Dehler 30 OD „Tschaika“ konnten sich absetzen. Wir suchen den Horizont nördlich von Hiddensee und Rügen immer wieder nach Windstreifen ab und versuchen unsere Sichtungen optimal umzusetzen.

Die Fernsicht ist fantastisch, an Backbord kann man klar Mön, an Steuerbord Rügen und voraus Schweden klar erkennen. Ab Mittag weht eine nette Brise aus dem zunächst nordöstlichen Quadranten, die uns leider nicht zur  Südspitze von Öland, sondern ans westliche Ende der Hanöbucht bläst.

Mit knüppeldichten Schoten geht es nach Norden. Südlich von Simrishamn frischt es auf und wird fies böig.  Mit zunächst einem Reff, dann mit zwei Reffs und schließlich nur noch unter der auf die Hälfte zusammengerefften Genua kämpfen wir uns voran und sehen dabei – im Vergleich zur Konkurrenz sogar ganz gut aus.

Die Leekojen im Salon und die Achterkajüte werden konsequent für die Freiwächter genutzt, da bleibt für den wachfreien Skipper – was ja zunächst mal nach viel Schlaf klingt – nur das Vorschiff übrig, was einer endloswn Achterbahnfahrt ähnelt. Ich bekomme kaum ein Auge zu und merke, dass mich die Regatta schon recht anstrengt. Kein Vergleich zu früheren Langstrecken, die ich mit 30 oder 40 Jahren gefahren habe.

Wir haben Glück und kommen mit einem kurzen Holeschlag um das Verkehrstrennungsgebiet bei Simrishamn herum. Inzwischen sind ein paar unserer Gegner und viele kleinere Verfolger in Schutzhäfen abgelaufen. Wir gönnen uns diesen Luxus nicht und fighten weiter. Schließlich segeln wir hier das angeblich längste und härteste Rennen der Ostsee…


Montag, 23.06.:

Inzwischen hat der Wind über Südost und Süd auf Süd gedreht und beschert uns am Morgen eine flotte Fahrt auf die Südspitze von Öland zu. An Backbord querab liegt Utklippan. Jetzt steht die Entscheidung an, ob wir nun durch den Kalmarsund gehen oder lieber Öland östlich passieren. Mit der Predict Wind Software prüfe ich die Optionen, das ECMWF- und das ebenfalls als recht zuverlässig geltende PWE-Wettermodell empfehlen den Weg an der Ostseite von Öland vorbei.

Da der Wind immer mehr auf Südwest dreht, baumen wir die Genua aus, was uns sofort einen Fahrtzuwachs von etwa einem Knoten bringt und vor allem die Option bietet tiefer zu fahren als bisher. So können wir Ölands Södra Udde noch am Vormittag runden, schiften dann und laufen ausgebaumt mit siebeneinhalb bis achteinhalb Knoten nach Norden. Traumhaftes Segeln, zumal die Sonne rausgekommen ist.

Die Crew harmoniert prima, auch wenn wir zwei weniger erfahrene Mitsegler an Bord haben. Nici ist sehr vorsichtig und außerdem leicht seekrank. Jürgen ist sehr motiviert, leider fehlt ihm manchmal noch ein wenig der Überblick, er segelt überhaupt zum ersten Mal eine Regatta und kennt einfach die Abläufe noch nicht so wie die „alten Hasen“ in unserer Crew.

Dennoch bin ich überwiegend sehr zufrieden mit meiner Mannschaft. Mein einziges Ärgernis ist, dass die beiden Wachführer einfach zu faul sind, das Logbuch ordentlich zu führen. In inzwischen drei Tagen gab es bisher eine einzige Eintragung, die nicht von mir gemacht wurde und dementsprechend auch große Lücken von bis zu sechs Stunden.

Um 13:00 Uhr Ortszeit werden wir auf Platz 9 für die Line Honours geführt und haben noch 642 Seemeilen zu segeln. Mit rund 28 Seemeilen Vorsprung voraus liegen die Spitzenreiter bei den Einrümpfern „Madame X2“ und „Lightworks“ (letztere besonders bemerkenswert, weil nur 38 Fuß lang), etliche Konkurrenten liegen zwischen 10 und 20 Seemeilen vor uns.

Über den heimischen Buschfunk hören wir, dass ein 30-Fuß Trimaran gestern vor Rügen gekentert sein soll. Komisch, da waren höchstens 18 Knoten Wind. Ein Segler wurde wohl von einem Hubschrauber abgeborgen und in ein dänisches Krankenhaus in Roskilde geflogen.

Die aktuellste Wettervorhersage verspricht uns ein hohes Etmal und – leider – für die Nacht auch wieder ruppiges Wetter mit halbem Wind, Böen bis zu 38 Knoten und bis zu 3m hohen Wellen auf unserem Kurs auf direktem Weg von der Nordspitze Ölands Richtung Ansteuerung Alandssee.

Um Mitternacht haben wir 177 sm auf der Uhr, 35 Knoten Wind und ballern mit neun Knoten Richtung Nordnordosten. Die Gotland-Fähre „Drotten“ kommt ihrer Ausweichpflicht nicht nach und muss mit der Signalpistole (Einzelstern Blitzknall weiß) darauf aufmerksam gemacht werden. Sehr spät macht das „Blech“ einen Haken und passiert uns an Backbord mit höchstens zwei Kabellängen Abstand.



21.06.2025: Es geht endlich los...

Das gestrige Regattabriefing gab wenig Neuigkeiten. Sebastian Wache von Wetterwelt sprach von einer recht komplexen und undurchsichtigen Wetterlage, die dem Regattafeld alles abverlangen könnte. Während der ersten zwei Tage unter Hochdruckeinfluss folgen dann zwei Kaltfronten von zwei Tiefdruckgebieten, die uns zwar eine günstige Windrichtung aber auch sehr viel Wind (Böen bis zu 53 Knoten bzw. Windstärke 10) bringen könnten.

Die ersten Boote laufen schon um halb zehn aus, wir machen uns erst um 10:30 Uhr auf den Weg von Boltenhagen nach Wismar, den wir unter Maschine zurücklegen. Nici wäscht unterwegs noch eine Ladung weiße Wäsche. 

Ab sofort könnt Ihr auch den Racetracker unter folgendem Link einsehen:

https://www.midsummersail.com/gps/


20.06.2025: Noch ein Tag bis zum Start!

Donnerstag, 19.06.25

Noch vor dem Frühstück machen wir uns auf den Weg zur Yachtwerft auf der gegenüberliegenden Seite des Westhafens und klopfen um zwanzig vor neun an der Bürotür. „Halbrundprofile für Scheuerleisten? Haben wir nicht, wenn überhaupt nur ein paar Reststückchen“.

„Notfalls nehmen wir auch die“, antworte ich freundlich. „Na, dann kommen Sie mal mit“ In der Winterlagerhalle an der Wand finden wir nicht nur Reststücke, sondern zwei 2m-Stücke von diesem für uns kostbaren Halbzeug. Schnell haben wir den Schraubstock, die Bügelsäge und einen Schleifbock okkupiert und fertigen uns selbst die vorher ausgemessenen Teillängen für beide Cockpitseiten und zwei kurze Stücke für die Klampen am Spiegel. Passende Schrauben dazu, 200 Euronen bezahlt und zurück an Bord, wo wir nach dem Frühstück mit der Montage beginnen.

Erst reiße ich einen Schraubenkopf ab, Jörg himmelt einen 2 mm Bohrer. Trotzdem sind wir nach zwei weiteren Stunden mit unserer Arbeit zufrieden. Nici und Willem haben derweil noch ein paar Leckereien für die Regatta eingekauft und zumindest Teile der wunderschönen Altstadt von Wismar besichtigt.

Um 14 Uhr machen wir uns bei böigem Nordwestwind unter Maschine nach Boltenhagen auf, wo sich das „Race Village“ für die Midsummersail befindet. Direkt nach dem Anlegen erhält die „Nyala“ eine ordentliche Süßwasserdusche und strahlt danach wie frisch aus der Werft. Heute gibt es noch kein gemeinsames Programm, lediglich den Check-In, bei dem wir unsere Startnummer, ein paar Mützen und einige Infos zum Hafen erhalten, der schon recht mondän wirkt. 

Gepflegte Anlage mit piekfeinen Sanitärräumen begeistern, die hiesige Gastronomie, die wir zum Abendessen aufsuchen, leider weniger. Die von mir bestellte Scholle mit Speck und Bratkartoffeln hat gelbes, trockenes Fleisch. Auf jeden Fall nicht frisch, wird deshalb reklamiert. Stattdessen erhalte ich dann – wie auch der überwiegende Teil unserer Crew – eine Edelfisch-Variation, die zumindest geschmacklich sehr gut ist. Eine halbe Stunde nach dem Essen haben wir mit Ausnahme von Nici alle Durchfall. Na prima, wir wissen allerdings nicht, ob es nun am Spinat, den Bratkartoffeln der Remoulade oder am Eis zum Nachtisch lag.


Freitag, 20.06.25

Noch ein Tag bis zum Start unseres Abenteuers. Die aktuelle Wettervorhersage verheißt leider keine optimalen Bedingungen, im Gegenteil: Am Samstag und Sonntag ist mit sehr schwachen  Winden zu rechnen, ab Montag soll es dann richtig viel Wind – in Böen bis zu 52 Knoten aus West in der südlichen und zentralen Ostsee geben. Prost Mahlzeit!

Nach dem ausgiebigen Frühstück mit frischen Brötchen, die Nici bei ihrem Morgenspaziergang im zwei Kilometer entfernten Ort geholt hat, üben wir für den drohenden Starkwind das Einbinden des dritten Reffs und das Setzen der vollen und gerefften Kutterfock. Das sieht gut aus; trotzdem hoffe ich sehr, dass sich die Prognose noch verändern wird.

Genaueres erfahren wir wohl beim Briefing am Abend.  Den Tag vertrödeln wir bei schönstem Sommerwetter in der Umgebung des Hafens, begutachten unsere potentiellen Mitstreiter und freuen uns auf das Eröffnungsprogramm mit allgemeinem und Wetterbriefing, Bratwurst und Bier, sowie Livemusik und Feuerwerk.

Außerdem machen wir alle eine ausgiebige Mittagsstunde, um möglichst erholt an den Tresen und morgen an den Start gehen zu können.



18.06.2025: Zwischenziel Wismar erreicht...

Montag, 16.06.25

Wir stehen schon um sechs auf, weil um kurz nach sieben Henry, ein Mitarbeiter von Henningsen und Steckmest das neue Dampferlicht montieren soll. Um neun soll auch Tobi von CO-Segel nochmal zum Aufmaß der G3 kommen.
Blöderweise kommt Henry erst, als Tobi schon mitten im Aufmaß steckt. Nun hängt Henry am Dampferlicht und Tobi zieht an irgendwelchen Fallen, was dazu führt, dass Henry das (alte) Kabel vom Dampferlicht aus der Hand rutscht und auf Nimmerwiedersehen im Mast verschwindet.

Das Neueinziehen des Kabels ist eine langwierige und komplexe Arbeit, die sich bis in den frühen Nachmittag hinzieht. Hätte ich das doch bloß besser selbst gemacht, das wäre mir wahrscheinlich nicht passiert. Nun ist aber nichts mehr daran zu ändern. Scheiße, das wird teuer…

Inzwischen sind auch Jörg und Jürgen eingetroffen, Nici macht sich mit Jürgen sofort zum Edeka auf, um den Frischproviant zu kaufen. In ihrer Mittagspause kommt Kathrin noch kurz vorbei, weil sie sehr gern Jörg sehen möchte. Die beiden haben sich jahrelang nicht gesehen und haben viel zu erzählen.

Um 15 Uhr können wir endlich ablegen. Wir planen zunächst nach Wendtorf zu segeln. Da es aber ganz hervorragend läuft, beschließen wir – nach dem über UKW mitgeteilt wird, dass die Übungen im Schießgebiet für heute abgeschlossen sind -  querab Kiel Leuchtturm, heute noch bis Orth zu segeln. Mit vollem Groß und ausgebaumter Fock rauschen wir mit sieben bis neun Knoten auf den Fehmarn-sund zu.

Was für ein hammergeiler Segeltag. Wir haben alle großen Spaß,  bergen kurz vor der Einfahrt in die Orther Bucht die Segel und legen im allerletzten Büchsenlicht in Orth an. Bis alles aufgeklart ist, ist es 23:00 Uhr. Zeit für den Anlegeschluck. Zufrieden fallen wir nach 49 Seemeilen in die Kojen…


Dienstag, 17.06.25:


Nach einem gemütlichen Frühstück kommen Dieter und Jutta, ehemalige Clubkameraden von der Möhne zur Bootsbesichtigung. Mit den beiden haben wir 1988 – damals waren Jutta und Dieter gerade frisch verliebt –  mit der Hallberg Rassy 312 meines Vaters auf den Balearen gesegelt und haben auf dem Rückweg von Menorca an die Cote d‘ Azur einen üblen Sturm erlebt, der auch etwas Schaden am Boot angerichtet hat.

Auch die beiden sehr erfahrenen Segler finden die „NYALA“ richtig gut. Nach anderthalb Stunden Schnackerei, will ich los, weil noch nicht klar ist, ob wir nun unter der Fehmarnsundbrücke durchpassen oder nicht. Trotz intensiver Bemühungen, diversen Anrufversuchen bei angeblich kompetenten Stellen und mehreren Gesprächen mit anderen Wassersportlern finden wir nicht heraus, ob das angebliche Gerüst unter der Hauptdurchfahrt nun aktuell die Durchfahrt behindert oder nicht.

Der einzige Weg dies herauszufinden ist hinfahren. Um elf Uhr legen wir ab und laufen unter Maschine auf die Fehmarnsundbrücke zu. Eine knappe Meile vor der Brücke sehen wir das Übel, wir kommen keinesfalls unter der Brücke durch. Also umdrehen und rund Fehmarn segeln, bevor wir dann den Kurs nach Wismar anlegen können.

Blöderweise schläft der Wind ein. Fünf Knoten Wind aus West sind zu wenig, um heute noch nach Wismar zu kommen. Trotz Code 0 (der ganz gut aussieht) kommen wir nicht von der Stelle. Wir bergen den Code 0 und werfen die Maschine an.
Erst auf der Höhe von Puttgarden gibt es wieder eine Brise, mit der wir fix gen Staberhuk segeln. Ab der Untiefentonne Staberhuk Ost müssen wir aufkreuzen und das bei stark drehenden Winden zwischen acht und zehn Knoten. Auch hier schlägt sich die Breehorn 44 sehr ordentlich.

Kurz vor der Ansteuerungstonne Burg 1 bergen wir erst die Genua und dann das Groß. Beim Einrollen der Genua gibt es einen lauten Knall. Obwohl Jörg nur noch einen Törn auf der Schotwinsch hatte zerplatzt die Kunststoff-Wickeltrommel, etwa ein Achtel bricht aus. Zum Glück war die Genua schon fast ganz eingerollt…

Unter Motor geht es in den Rundhafen von Burgtiefe, wo uns Michel und Birgit Hundrup annehmen. Wir verbringen einen schönen Abend zusammen und gehen gegen 23:00 Uhr auf die Koje.


Donnerstag, 18.06.25:


Beim Aufwachen nehme ich sofort wahr, dass der gestern Abend doch schwache Wind deutlich zugenommen hat. Der Check der Wettervorhersage bei Predict Wind und Wetterwelt lässt aber leider schon Zweifel aufkommen, ob wir wenigstens heute und vor allem zum Start der Midsummersail brauchbare Segelbedingungen bekommen werden.

Nach dem Frühstück und einem Besuch beim Schiffsausrüster, wo wir eigentlich Edelstahl-Halbrundprofile zum Schutz vor schamfilenden Schoten am Cockpitsüll kaufen wollten, tanken wir noch schnell 103 Liter Diesel und machen uns dann um 10 Uhr auf den Weg nach Wismar. Das Groß geht in der Fahrrinne nach Burgtiefe hoch, die Genua an der Tonne Burg 1.

Mit Kurs 166° rauschen wir bei zunächst fünfzehn bis siebzehn Knoten Wind Richtung Wismar. Die Spitzengeschwindigkeit liegt bei neuneinhalb Knoten, über die erste Stunde fahren wir einen Schnitt von 8,3 Knoten. Rumpfgeschwindigkeit!

Dann flaut der Wind leider kontinuierlich auf 1 – 4 Knoten ab. Da hilft auch der aus Verzweiflung gesetzte Code 0 nicht weiter. Das blöde Rütteleisen muss wieder ran. Wir lassen das Groß gesetzt und den Code 0 aufgerollt stehen und hoffen auf ein wenig mehr Wind, der glücklicherweise eine Stunde später wieder einsetzt.

Sofort wird der Code 0 wieder ausgerollt und die Maschine abgestellt.  Nun laufen wir zwar keine acht Knoten mehr wie nach dem Auslaufen, aber immerhin befriedigende sechs Knoten. Blöderweise dreht die Brise immer spitzer und schon nach wenigen Minuten wird der Wind zu stark zu spitz für unseren Code 0. Schnell ist das Ding wieder eingerollt und die Genua ausgerollt. Damit fahren wir über das Offentief in die Fahrrinne nach Wismar.

Hinter uns läuft die Hanse 470 „Marysol“, die ebenfalls an der Midsummersail teilnimmt. Auch dieses Boot hat gutaussehende schwarze Segel und Jörg weiß zu berichten, dass der Eigner auch schon einhand an der Silver Rudder-Regatta rund um Fünen teilgenommen hat. Ich bin sehr überrascht, dass uns die Hanse nicht in kurzer Zeit überholt hat. Im Gegenteil, platt vor dem Wind (beide Boote nur unter Großsegel) sind wir sogar schneller als die „Marysol.“

Erst kurz vor dem Westhafen machen wir einen Aufschießer und bergen das Groß, diesmal sogar sehr ordentlich. Wir bekommen noch einen wunderbaren Längsseitsliegeplatz vor Kopf in der kleinen Marina. Nach dem Anlegen versuchen Jörg, Nici und Willem – der soeben an Bord kam – die benötigten Scheuerschutzschienen bei einem Schiffsausrüster und Eisenwarenladen aufzutreiben. Wieder ohne Erfolg. Immerhin erhalten die drei ein paar Tipps, wo wir es morgen versuchen könnten.

Jürgen trifft sich mit einer Bekannten, der er das Boot zeigt und verbringt mit ihr den Abend. Ich mache noch ein wenig Reinschiff im Cockpit, als auch schon das Telefon klingelt. Jörg und Nici haben ein Fischrestaurant aufgetan, wo wir zu Abend essen wollen.
Um 20:00 Uhr sind wir wieder an Bord.


15.06.2025: Im Urlaubsmodus angekommen

Freitag, 13.06.25

Beim Frühstück fällt mir ein, dass UK Netherlands gestern keinen Klettbandstreifen für das Großsegelschothorn abgegeben hat, obwohl ich Lars ausdrücklich daran erinnert hatte. Mist, mit der provisorischen Dyneemalasching möchte ich eigentlich nicht die nächsten Monate segeln. Deshalb will ich CO-Segel bitten, mir am kommenden Montag zum zweiten Aufmaßtermin für die Genua 3 einen solchen Streifen mitzubringen.

Am Telefon ist Astrid, eine ganz liebe Segelmacherin, die ich schon ganz lange kenne. Ich wundere mich, wie gut sie über die Lage an Bord informiert ist. Sie weiß auch Dinge, die ich Ihrem Kollegen Tobi nicht erzählt habe. Auf meine Frage, woher sie das alles weiß, verweist sie auf meinen Blog. Damit hätte ich nun gar nicht gerechnet, dass auch sie ein Fan der NYALA-Webseite ist. Außerdem ist sie mit meinem Freund Bernd aus Kiel verwandt, der ihr schon berichtet hat, dass ich einen neuen DN-Schlitten bestellt habe.

Der Test der gestern gelieferten C-Map Karte „Norway, Sweden, Finnland and Baltic Sea“  - hier war ich davon ausgegangen, dass tatsächlich die gesamte Ostsee darauf ist, verläuft leider nicht so positiv wie erhofft. Ganz Dänemark fehlt hier leider komplett.Wie sollen wir jetzt bis Montagmorgen an die entsprechende Karte kommen??

Zum Glück produziert NV Charts in Eckernförde als EINZIGER C-Map Händler in Deutschland die Kartenchips selbst. „Kein Problem, Herr Goecke, in zwei Stunden können Sie die die Karte abholen“. Kathrin Minners erklärt sich bereit, mit mir nach Feierabend schnell zu NV zu fahren, um das Ding abzuholen.

Nach dem Frühstück wird die – weil ziemlich laut – nervende Druckwasserpumpe beruhigt, in dem wir die Körperschallbildung reduzieren. Dazu schrauben wir die Pumpe los und polstern sie ringsum mit Resten von Schallschutzmatten, die ich von Malte Steckmest erhalten habe. Das löst unser Problem zwar nicht ganz, sorgt aber für eine erhebliche Verbesserung.

Im Anschluss daran holen wir bei Edeka Otto die von mir bestellten Rauchwaren ab. Acht große Dosen Tabak und etliche Packungen Filterhülsen verschwinden in den Transportboxen in der begehbaren Backskiste.

Gerade zurück aus Eckernförde (die Karte funktioniert) liegt schon der Klettstreifen an Bord. Tobi von CO-Segel hatte noch am Hafen zu tun und hat den Streifen, sowie ein paar Tuchmuster für die Genua 3 schon mitgebracht. Danke, liebes CO-Team!!!

Am späten Nachmittag überlegen wir, was wir zum Abendessen speisen wollen. Nici möchte gern ausprobieren, wie gut sich der bei Aldi vor einigen Wochen bestellte mobile Backofen (ähnlich Omnia, aber mit integriertem Thermometer) zum Brotbacken eignet. Wir ziehen eine 500 g Brotbackmischung 6-Korn-Brot aus dem Stauraum unter der Koje und eine gute Stunde später gibt es ein herrliches Vollkornbrot mit Wurst und Käse zum Abendessen.

Schon um halb neun liegen wir auf der Koje und schauen über Starlink-Streaming den Brennpunkt zu den neuesten Unruhen in Nahost. Israel hat diverse Atomanlagen im Iran angegriffen, die Iraner drohen mit massiver Vergeltung. „Israel wird diesen Angriff bitter bereuen, es wird Zeit, dass Israel endgültig aufhört zu existieren“. So oder ähnlich scheinen die Iraner aktuell zu denken. Der US-Präsident Trump spricht von einem „ausgezeichnetem Angriff“. 

Uns wird – wieder einmal -  bewusst, dass es gut ist, dass wir uns nächstes Jahr auf die Weltumsegelung begeben. Wer weiß, wie lange das überhaupt noch möglich ist. Allmählich fällt es schwer, bei den ganzen kriegerischen Auseinandersetzungen in der Welt nicht abzustumpfen. Dagegen wirkt der Absturz eines Flugzeuges in Indien mit 285 Toten schon kaum noch erwähnenswert…


Samstag, 14.06.25

Um fünf Uhr früh werden wir beide gut gelaunt wach. Es war für mich seit vielen Wochen die erste Nacht, in der ich durchgeschlafen habe, bzw. nur einmal in der Nacht zum WC muss. Wir nehmen uns in den Arm und können – vielleicht zum ersten Mal – beide gleichzeitig so richtig unsere Unabhängigkeit und auch die Autarkie genießen, die ich auf allen bisherigen Booten manchmal sehr vermisst habe.

Als die Sonne über der Schlei aufgeht – ein Stegnachbar berichtet blumig von der Gänsehaut, die er bei diesem tollen Naturspektakel bekommt – brummt schon unser Watermaker, der von nun an spätestens alle zwei Tage laufen sollte. Nici nimmt das erste Bad in der Ostsee und duscht danach im Cockpit, während der verweichlichte Skipper lieber in der gut vorgeheizten Dusche ein Ganzkörperreinschiff vornimmt.


Wenige Minuten später knetet sich der Brotbackautomat in unserer begehbaren Backskiste (weil er da auch auf See sicher steht) den ersten Rosinenstuten zusammen, der einen köstlichen Duft in der Kajüte verbreitet und schon um halb neun genossen werden kann.

Wir können kaum fassen, wie gut es uns geht und danken dem lieben Gott für unser „Schicksal“. Der erste Tag, an dem nicht noch viele Dinge zu erledigen sind, sondern purer Genuss vor uns liegt!  Dazu wollen wir uns natürlich auch ein paar frische Brötchen gönnen, die wir neben rund achtzig Aufbackbrötchen und ein paar anderen Dingen per Fahrrad bei Edeka einkaufen.  Jetzt besitzen wir auch einen richtigen Toaster an Bord und können pappiges schwedisches Weißbrot halbwegs genießbar machen…

Zurück im Hafen stauen wir als erstes unser zweites Elektro-Faltrad in den riesigen Stauraum unter der Vorschiffskoje, der mich mit seiner Geräumigkeit erneut verblüfft. In dieser Last sind jetzt das Dinghy, diverse Handtücher, zirka 150 m an Schoten und Festmachern,  20 Liter Weißwein, zwei Elektro-Falträder, zwei Kiteboards, diverse Kiteausrüstung und sonstiger Kram. Erstaunlicherweise ist immer noch Platz darin, was mich dazu verleitet, nun auch noch ein drittes (Brompton-) Faltrad mitzunehmen, das sich zumindest für die kleineren Touren wunderbar eignet und wesentlich angenehmer stauen lässt. Das werden wir aber erst am Sonntag machen.

Gegen 19 Uhr machen Kathrin und Matthias zwei Plätze neben uns mit der 39er-Faurby „Faur us“ von Matthias fest. Von ihm hatte ich von Kathrin schon eine Menge gehört. Zehn Minuten nach dem Anlegen sind die beiden „landfein“. Zu viert machen wir uns auf den Weg zur Hafenpromenade, um einen Tisch in einem Restaurant für uns zu organisieren.

Bei Norbert Stark blitzten wir ab, finden aber dann in der „Meerestochter“ einen schönen Tisch und genießen ein herrliches Abendessen. Anschließend sitzen wir noch bis kurz nach eins bei uns im Cockpit und vernichten eine Flasche Mount Gay, diverse Süßigkeiten und einen guten Streifen aus unserem Weißweinschlauch. Gut angeschickert geht es auf die Kojen. „Bis gleich zum Frühstück, aber erst nach dem Aufwachen…“

Sonntag, 15.06.25

Der erste Tag komplette ohne abzuarbeitende Punkte auf der ToDo-Liste steht an. Wir werden zwar schon um sechs wachen, schmusen ein wenig miteinander und drehen uns dann wieder um. Um halb neun stehen wir dann endlich auf. Nici startet den Tag wieder mit einem erfrischenden Bad in der Schlei, während der Skipper die Wassertanks füllt und den Watermaker spült.

Um 10 Uhr frühstücken wir mit Kathrin und Matthias ausgiebig, bevor die beiden sich um 11:15 Uhr auf den Rückweg nach Wackerballig machen. Nici wäscht nochmal unsere Schmutz- und Bettwäsche und verpasst mir einen windschnittigen Kurzhaarschnitt.

Bevor es um 16 Uhr anfängt zu regnen, ist auch das dritte Bordfahrrad verstaut und wir sind im Urlaubsmodus angekommen. Herrlich!

Jetzt freuen wir uns auf die neue Crew, mit der wir ab morgen zunächst nach Wismar und dann ans nördlichste Ende der Ostsee segeln werden. Zumindest in den ersten Tagen werden wir günstigen Wind bekommen und morgen raumschots Richtung Wendtorf, am Dienstag wahrscheinlich dann nach Fehmarn und Mittwoch nach Wismar segeln.


13.06.2025: NYALA ist endlich reiseklar

Dienstag, 10.06.25


Heute hat sich einiges bewegt. Die wichtigsten Neuigkeiten gab es in einem Telefonat mit Lars von der Breehorn-Werft, der mir mitteilte, dass der Code 0, die Kutterfock, die C-Map Karte für die gesamte Ostsee, ein paar große Sicherungen als Ersatz für Ankerwinsch und Bugstrahlruder und vor allem auch die nun wesentlich höheren Kojensegel am Donnerstagabend vom Inhaber der UK/de Vries Segelmacherei in Makkum persönlich angeliefert werden, der ohnehin einen Termin in Aarhus (DK) hat.

Somit ist klar, dass wir mit vollständiger Segelgarderobe die Midsummersail bestreiten können. Insbesondere der Code 0 war mir sehr wichtig, weil wir – nach den Erfahrungen der letzten Jahre – durchaus mit schwachen Winden zu rechnen haben.

Die Entscheidung darüber, ob die Genua neu gebaut wird oder nicht, steht noch aus. De Vries ist genau wie Breehorn und ich der Meinung, dass neu gebaut werden muss, die Entscheidung wird aber erst in den nächsten Tagen (oder Wochen) in der Türkei beim Membranhersteller gefällt. Es sieht aber ganz gut aus.

Bei Malte Steckmest habe ich inzwischen ein neues LED-Dampferlicht, eine (weitere) 5kg-Propangasflasche und noch ein paar weitere Vorreiber für die Kleiderschränke im Vorschiff und der Achterkajüte bestellt.

Aus dem Bestand an 12 mm Dyna lite Fallen- und Schotenmaterial habe ich ein neues, längeres Großfall und eine längere Außenschot für die Genua gemacht. Das Einscheren gestaltete sich etwas schwierig, weil es gestern immer nur sehr kurze Regenpausen gab. Erst am Abend haben wir das Fall dann in einem nur vermeintlich günstigen Moment eingeschoren und nun auch über die zweite Rolle im Galgen für das Achterstag geführt. Wir hoffen, dass der immense Verschleiß im Kopfbrettbereich nun der Vergangenheit angehört.

Meine liebste Nici, die sich seit einer Woche mit Beschwerden im rechten Knie und einer Entzündung des Brustbeins rumgeplagte, hat wider Erwarten einen Termin beim Osteopathen bekommen und hat weitere Tiefkühl-Fertiggerichte zum Testen aus der Stadt mitgebracht. Inzwischen haben wir fünf wirklich leckere Gerichte ausgewählt, die unseren Menüplan bereichern werden und in kürzester Zeit ohne die Erzeugung von größeren Müllbergen zuzubereiten sind. Dafür wird unsere Tiefkühlbox zwar nicht ausreichen, aber ein paar Tage werden sich die Gerichte auch im normalen Kühlschrank bei entsprechend niedrig eingestellter Temperatur halten.

Unser LG-Waschtrockner bewährt sich prächtig an Bord, benötigt aber sehr viel Wasser. Während des Segelns werden wir ihn wohl eher nur im Notfall einsetzen, was aber auch unserem Stromverbrauch zu Gute kommen wird.

Die einzig schlechte Nachricht des heutigen Tages war, dass der von Kai Mares angekündigte Interessent für meine „Kialoa“ den Termin verschieben musste, der für morgen geplant war.

Gegen 22:00 Uhr gehen wir auf die Koje und freuen uns über unser Glück.

Mittwoch, 11.06.25

Bereits um halb fünf bin ich hellwach. Ich stehe aber noch nicht auf, sondern blicke lange und sehr zufrieden Nici an, die neben mir – das Gesicht mir zugewendet – noch friedlich schlummert.  Nachdem ich mich (vorerst) an Nici sattgesehen habe, gehe ich um viertel vor sechs unter die (Bord-) Dusche und freue mich wie ein kleines Kind über den Komfort auf unserer NYALA. Unter Deck surrt die Heizung und über der Schlei geht hellrot glühend die Sonne auf. Mir scheint, ich habe (zumindest in den letzten Monaten) alles richtig gemacht.

Es ist ein sehr schönes Gefühl für uns, dass der Stress der letzten Wochen so langsam von uns abfällt. Wir haben den Eindruck, dass nun alles – was mit dem Boot zusammenhängt – so langsam ins Reine kommt und blicken sehr zuversichtlich auf die kommenden dreieinhalb Monate unserer Reise.

Am Nachmittag wird uns bewusst, wie teuer Lebensmittel geworden sind, als wir mit unserer Freundin Kathrin Minners bei Edeka einkaufen gehen. Für zwei volle Einkaufswagen mit haltbarem Proviant (Fleisch, Wurst, Käse, Quark, Johghurt und sonstiger Frischproviant fehlt noch komplett müssen wir 540 Euro bezahlen. Ich gehe davon aus, dass für den Frischproviant mindestens weitere 200 Euro fällig werden.

Das Wegstauen des Proviants ist nicht ganz trivial, weil  sowohl der Längs- und Quertrimm des Bootes, wie auch die Reihenfolge des Verbrauchs und Druckempfindlichkeit der Staugüter berücksichtigt werden müssen. Nachdem (vorerst) alles vermeintlich sinnvoll verstaut ist, laden wir unsere Fahrerin und Helferin Kathrin zum Abendessen in die Fährschenke ein. 

Zurück an Bord schnacken wir noch ein wenig über die Option, Kathrin auf der Etappe Luleå – Stockholm zwei Wochen mitzunehmen. Das hätte für Nici und mich den Vorteil, dass wir nicht so hart von einer Fünfercrew auf Doublehand umsteigen müssten.Die Mädels scheinen sich blendend zu verstehen, wir lachen sehr viel an diesem Abend.

Als Kathrin von Bord geht, wird es langsam dunkel. Ich schaue mir die „NYALA“  nochmal von vorn an und stelle fest, dass die – auf meinem eigenen Mist gewachsene – Proviantstauerei schlecht für den Längstrimm war. Das Heck liegt schon wieder sehr tief im Wasser, obwohl niemand im Cockpit sitzt. Verdammt, das kann nicht so bleiben! Nici ist schon total müde und schlägt vor, das erneute Umstauen auf den morgigen Tag zu verschieben. 

Doch auch morgen sind wieder einige Dinge zu erledigen. Also schicke ich meine Liebste auf die Koje, bewaffne mich wieder mit den Einkaufstaschen und räume den doch recht schwer beladenen Stauraum unter dem Kopfende der Koje in der Achterkabine wieder komplett aus und staue alles unter der Backbord-Salonkoje ein, die leichteren Sachen nach achtern, die schwereren nach vorn.

Außerdem beschließe ich, die noch fehlenden Segel (Code 0 und Kutterfock) nicht – wie ursprünglich geplant – in der begehbaren Backskiste, sondern lieber in der Segellast und unter dem Kopfende der Vorschiffskojen einzustauen und dort möglichst auch das zweite Fahrrad unterzubringen.

Um hier Platz zu schaffen müssen meine fünf Kites, die zum Glück in Summe nur 20 kg auf die Waage bringen, nach achtern.
Zur weiteren Gewichtsersparnis sollen die insgesamt etwa 40 kg schweren Topper aus 8 cm dickem Latex in der Segelkammer bleiben, wo dann insgesamt zwischen 250 und 300 Kilogramm an Ausrüstung von der NYALA für die nächsten Monate zwischengeparkt werden sollen.

Als ich um viertel vor eins in der Nacht mit der Umstauerei fertig bin und die Schwimmwasserlinie erneut gecheckt habe, schnarcht Nici im Vorschiff so laut, dass ich mich für den nun wohlverdienten Schlaf lieber gleich auf die Steuerbord-Salonkoje verhole, wo ich sofort ins „Koma“ falle.


Donnerstag, 12.06.25

Trotz kurzer Nacht sind wir wieder früh unterwegs. Nici ist schon um halb fünf zu ihrem zwölf Kilometer langen Morgenspaziergang aufgebrochen. Um mich nicht zu wecken hat sie das in Docksides (Bootsschuhen) getan , was ein Fehler war. Schon auf dem Rückweg hat sie schon nach etwa Dreiviertel der Strecke Blasen unter der Ferse gespürt. Ich habe es ja schon immer gesagt (und gewusst): Segelschuhe sind keine Wanderschuhe!

Ich mache mich nach der morgendlichen Dusche um viertel nach sieben an die Arbeit und beginne mit der Montage der Halterung für die neue Mann- über- Bord Markierungsboje. Der Halter ist eigentlich für die Befestigung an Heckkörben mit einem Rohrdurchmesser von 25 mm optimiert. Unser hat 30 mm und passt deshalb nicht. Mit der Bügelsäge schneide ich die hakenförmige Schelle ab und schraube die Halterung dann am Brett für den Außenborder an. So ist das Ding nicht im Weg und trotzdem gut zugänglich.

Nach dem Frühstück kommen Topper, leere Reisetaschen, die (noch immer ungetestete) Passatgenua in die Segelkammer und die Kites nach achtern, um Platz für weitere Segel unter der Vorschiffskoje zu schaffen.

Am frühen Nachmittag kommt Jörg aus Glückstadt angefahren, der seit mehr als 30 Jahren selbständiger Klempnermeister ist. Nach einem kurzen Schnack macht er sich an die Arbeit und dichtet mit Teflonband erstmal das undichte T-Stück am Druckausgleichsbehälter des Watermakers ab. Bei der Inbetriebnahme vermissen wir ein deutsches Handbuch und eine zusammenhängende Skizze der gesamten Hydraulik des Watermakers. Die im englischen Manual gezeigte Skizze ist seitenverkehrt, was uns aber erst nach einer Weile auffällt. Auch einen Probeentnahmehahn für das produzierte Wasser vermissen wir.

Jörg hat heute seinen 27. Hochzeitstag und müsste eigentlich am frühen Abend wieder in Glückstadt sein, um mit seiner Frau zum Essen zu gehen. Doch Jörg setzt die Prioritäten zugunsten der NYALA und unseres Sommertörns und arbeitet so lange, bis der Watermaker läuft. Ein Telefonat mit Marc von der Werft, der aber offensichtlich wenig Erfahrung mit Entsalzungsanlagen hat, bringt uns auf die richtige Fährte. Um kurz vor fünf läuft der Watermaker und füllt den Tank mit durchschnittlich 70 Litern in der Stunde, was – aufgrund des geringen Salzgehaltes der Schlei – deutlich über der Nominalleistung liegt. Jetzt aber schnell ins Auto Jörg und ab nach Hause. Mit einem herzlichen Dankeschön verabschieden wir meinen alten Freund, den ich schon Mitte der 80er-Jahre über den kürzlich recht tragisch verstorbenen Jonn Minners (den Exmann unserer Freundin Kathrin) kennengelernt hatte.

Zwischendurch kam Tobias von Co-Segel vorbei, der das gesamte Rigg aufgemessen hat, damit uns Co-Segel auch während unserer Weltumsegelung mit neuen Segeln helfen kann, ohne irgendwo in der Südsee zum Aufmass kommen zu müssen. Der Anlass war das Aufmass für die Genua 3, mit der ich unsere Segelgarderobe möglichst noch in diesem Sommer vervollständigen möchte. Leider weht es zu kräfig und vor allem von achtern, so müssen wir das Aufmaß der Genua auf Montag verschieben.

Am frühen Abend steht der letzte Termin des Tages mit UK Sails Netherlands/de Vries an. Marcel, der Chef ist mit zwei Freunden auf dem Weg nach Aarhus, wo die beiden ein älteres 35-Fuß Boot gekauft haben, das die Frau von Marcels Freund zum Muttertag geschenkt bekommen hat, ein sehr üppiges Geschenk…

Marcel hat den Code 0 und die Kutterfock für die NYALA im Auto und bringt uns auch diverse Lastsicherungen als Reserve, den Furler für Code 0 und die Passatfock nebst Wickelleine und vor allem auch die CMap-Karte für die gesamte Ostsee mit, auf die wir schon dringend gewartet haben.  Mit der ebenfalls heute angekommenen Tabak- und Zigarettenhülsenlieferung sind wir bis auf den Frischproviant reiseklar. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Auch unser Salon ist mit einem Bild der Nyala unter Segeln noch ein wenig wohnlicher geworden.

Zum Abendessen gibt es Bami Goreng, ein weiteres TK-Fertiggericht und zum Nachtisch frische Erdbeeren. Wir sind glücklich und zufrieden!

Zum Schluss noch ein paar Bilder der letzten Tage...




09.06.2025: Liegezeit Kappeln

Inzwischen wissen wir ja, dass unsere NYALA ordentlich segelt, es gibt allerdings noch unendlich viele technische Details, die von uns und ganz speziell von mir als Skipper entdeckt und verstanden werden müssen. Viele Ausrüstungsgegenstände wie zum Beispiel einen Watermaker, einen Ölofen oder ein Satelliten-Kommunikationssystem wie Starlink hatte ich noch nie an Bord, bei anderen ist die Bedienung ganz anders als bei den mir bekannten Vorgängermodellen.

Die von der Breehorn-Werft an mich übergebenen Installations- und Bedienungsseiten verteilen wir alphabetisch sortiert auf zwei prall gefüllte DIN A4-Ordner und darin sind noch nicht einmal alle Handbücher. Viele Manuals liegen gar nicht in gedruckter Form vor und müssen – teils erst nach mühsamer Recherche im Internet – von den Hersteller- oder Händlerseiten  - in digitaler Form heruntergeladen und auf unserem Borddrucker ausgedruckt werden. Danach beginnt das teils nervige Studium der diversen Handbüchern.

Außerdem fallen noch ein paar Mängel auf, die vor Beginn unseres Sommertörns in Ordnung gebracht werden müssen. Beim Test des Watermakers leckt dieser bei der Produktion von Frischwasser auf der Ausflussseite recht erheblich, hier hat angeblich schon der Hersteller (Schenker) die mangelnde Abdichtung mit Teflonband zu verantworten. Auch der Dickinson Ölofen arbeitet nicht richtig und muss justiert werden.

Den Ölofen benötigen wir nicht zwingend, den Watermaker aber unbedingt auf der Midsummersail. Zum Glück habe ich mit Jörg Bloching nicht nur einen sehr kompetenten Mitsegler, sondern auch ausgebildeten und sehr erfahrenen Gas- und Wasserinstallateur an Bord. Mal sehen, ob er den Watermaker dicht bekommt.

Auch unser Dampferlicht funktioniert nicht mehr. Bis zur Trennstelle unter dem Mast liegen 26 V an, also liegt das Problem entweder in einem Kabelbruch auf dem Weg vom Deck bis zur Laterne oder aber in der winzigen (aber angeblich zugelassenen) Dampferlaterne selbst.

Am Pfingstmontag steht der – normalerweise bei mir wöchentliche – Riggcheck an, der auf der „NYALA“ nun zum ersten Mal stattfindet. Bewaffnet mit ein paar Rollen weißem Tape, ein paar Schraubendrehern und Schraubenschlüsseln lasse ich mich im Bootsmannsstuhl von Nici bis in den Masttopp vorheißen.

Zunnächst erkenne ich die Ursache für den hohen Verschleiß im Kopfbereich des Großfalls. Die Jungs von Tuned Rigs haben das Großfall nicht über die (zusätzliche) Rolle im Mastgalgen geführt, die etwa 5cm hinter der Achterkante des Masts sitzt. So schamfilt das Fall nun ständig im Bereich des Kopfbretts an der Oberkante der angeschraubten Harken-Schiene für die Vorlieksrutscher. Das ist wahrscheinlich leicht zu beheben, indem ich das Fall umschere.

Das defekte Dampferlicht muss ich mit entsprechendem Werkzeug in einem weiteren Mastcheck ausbauen oder an der Einbauposition prüfen. Nach den Arbeiten im Topp und den Salingsnocken wurde es mir allerdings auf Dauer zu unbequem im bzw. auf dem Bootsmannsstuhl.

Ansonsten fühlen wir uns jedoch pudelwohl auf der NYALA und genießen jeden gemeinsamen Tag an Bord sehr. Am Pfingstmontag wären wunderbare Segelbedingungen gewesen, ich muss jedoch zugeben, dass ich mich im Handling des Bootes mit einer noch nicht eingespielten Zweiercrew zu unsicher fühle und Schrammen beim An- und Ablegen sowie Stress bei Segelmanövern vermeiden möchte und insbesondere Nici nicht gleich zu Beginn unseres Segelsommers zu viel Stress zumuten möchte.

Statt zu Segeln genießen wir sehr bewusst den zwar  relativ bescheidenen, aber doch völlig ungewohnten Luxus auf der NYALA, die langsam unser Zuhause wird. Besonders freue ich mich über die tägliche Dusche an Bord mit ausreichend viel richtig heißem Wasser für uns beide, die superkomfortablen Matratzen im Vorschiff und die üppigen Wassertank- und Kühlkapazitäten.


06.06.2025: Reisebericht Sommertörn 2025, Teil 3 (Brunsbüttel-Kappeln)

Dienstag  03.06.25

Heute darf die „NYALA“ das erste Mal auf der Ostsee segeln. Um 07:45 Uhr legen wir in Schilksee ab und setzen sofort nach dem Passieren der Hafenausfahrt die Segel. Zunächst mit halben Wind, ab Bülk raumschots und ab dem Stollergrund platt vor dem Wind laufen wir bei sechs bis neun Knoten Wind bis zur Sperrgebiets Tonne 5 des Sperrgebietes vor Damp eigentlich ganz flott gen Norden. Querab Olpenitz flaut der Wind leider soweit ab, dass wir motoren müssen.

Glücklicherweise steht in der Schlei heute nur wenig Strom, was dazu führt, dass das – bei starkem Strom oft heikle – Anlegemanöver auf Anhieb gut gelingt. Die uns zugedachte Box Nr. 15 ist leider zu schmal für die NYALA, deshalb müssen wir uns reinquetschen, was aber letztlich geht.

Nach dem Festmachen beginnen wir das Heck der NYALA ein wenig zu leichtern, um das Boot besser auf die Konstruktionswasserlinie zu bekommen. Dazu wandern einige Ersatzteile von Bord und der Heckanker nach vorn in den Ankerkasten. Das überflüssige Geraffel wandert in die Segelkammer in der Werfthalle, wo allerdings auch noch einige Dinge lagern, die wieder an Bord müssen.

Am Abend lädt uns Jürgen in der Fährschänke zum Fischessen in der Fährschänke ein. Danach fallen wir bald müde auf die Kojen.


Mittwoch, 04.06.25

Nach einem (vorerst) letzten Frühstück mit Jürgen kommt ein Motorschrauber der Firma Vogt aus Kappeln und führt die 50h-Inspektion, die im Wesentlichen aus dem Motoröl- und Filterwechsel  und einer kurzen Funktionsprüfung besteht, durch. Da unser Honda BF 2,3 Außenborder nach vier Jahren Standzeit mit neuem Sprit nicht anspringen will, gebe ich den gleich an Vogt zur Reparatur. Wahrscheinlich ist der Vergaser reinigungsbedürftig.

Jürgen hat Glück und wird vom netten Motorschrauber samt seinem Gepäck zum Omnibusbahnhof Kappeln mitgenommen, der schräg gegenüber von Fa. Vogt ist. 

Nachdem Jürgen von Bord ist, fahren Nici und ich mit den Fahrrädern in die Stadt auf, um ein paar neue Jeans für mich zu kaufen. Tatsächlich finden wir bei Jeans Fritsch ein paar prima passende Hosen für kleines Geld. Das eingesparte Geld wird jedoch gleich wieder beim Schiffsausrüster „reinvestiert“, wo diverse Bändsel, unter anderem  für die Pütz und für die Spannlaschings der Reling, ein paar Klebepadeyes zum Aufhängen der Fallen am Mast im Winschenbereich und ein Wasserkessel gekauft werden.

Zurück an Bord machen wir uns an die Inventur und das Umstauen unserer Lebensmittel. Dabei bricht ein bisschen das Chaos aus, weil gleichzeitig auch die Pantry umgeräumt wird. Die (von uns beiden) gemachte Unordnung stört uns so sehr, dass wir uns ein wenig streiten. Nici fühlt sich – zumindest teilweise zu Recht – ungerecht behandelt. Nachdem wieder Ordnung an Bord ist, ist alles wieder gut.

Das  Dinner nehmen wir wieder in der Fährschenke ein.


Donnerstag, 05.06.25

Heute sollen wir in unsere „richtige“ Box Nummer 25 verholen. Da der schleiabwärts setzende Strom heute deutlich stärker ist, wird das spannend. Deshalb warten wir damit bis nach dem Frühstück mit meinem Freund Stefan aus Kiel, der die NYALA besichtigen kommt.

Just zu dem Moment, wo die Jungs von Henningsen und Steckmest das Boot aus „unserer“ Box ziehen, um den fliegenden Wechsel vorzunehmen, geht eine heftige Böe über die Schlei, die unser Ablegemanöver massiv erschwert.
Der hart von Backbord quer einfallende Wind drückt unseren Bug kräftig nach Steuerbord, mit unserem Anker touchieren wir leicht das Relingsnetz der neben uns liegenden „Avalon“, und verbiegt – so glauben wir jedenfalls – leicht eine Relingsstütze. 

Außerdem schwimmt unsere selbstaufblasende Mann-über-Bord Rettungsboje in der Schlei und kann leider auch später nicht geborgen werden. Okay, darum kümmern wir uns nach dem Verholen.

Nachdem wir uns aus der alten Box rausgehüsert haben, beginnt nun der aufregende Anlauf in die richtige Box, diesmal gelingt uns trotz widriger Bedingungen ein recht gutes Anlegemanöver.  Nach dem Festmachen klettern wir auf die „Avalon“, bei der nicht nur die von uns möglicherweise in „Mitleidenschaft“ geratene Relingsstütze ziemlich verbogen ist. Wahrscheinlich vom Zug der Spinnaker-Achterholer stehen fast alle Stützen auf dem Boot deutlich nach innen.

Wir richten die Stütze so, dass sie genauso aussieht wie die auf der anderen Seite und lassen auch den Hafenmeister einen Blick darauf werfen. Der Fuß steht nach wie vor bombenfest an Deck, weitere Spuren haben wir auch nicht hinterlassen, was auch die beiden Jungs von Henningsen und Steckmest bestätigen. Ärgerlich ist, dass die MOB-Boje weg ist. Schnell radele ich zu „Skips“ und bestelle eine neue, Schaden 275,- €!

Am frühen Nachmittag kommen Franklin und Tonja von der „Franea“ zur Besichtigung, danach Hauke Steckmest. Alle sind angetan von der „NYALA“. Ich äußere Hauke gegenüber, dass mir der klassische Ausbaustil der Scalar-Yachten besser gefällt, als das sehr geradlinige, eher moderne Innendesign der NYALA. Darauf sagt er, dass wahrscheinlich auch bei Henningsen & Steckmest ein Umdenken erfolgen muss. Der bisherige Stil sei einfach zu zeitaufwändig und damit zu teuer.

Als Gastgeschenk hat er eine sehr nett geschriebene Karte und eine „Gin-Flagge“ mitgebracht, die anzeigt, dass man sich über Besuch freut. Außerdem sind die erst einen Tag vorher bestellten Vorreiber für die Schubladen angekommen, die ich im Hafenbüro abhole und nach ein paar Überlegungen auch gleich montiere. Alle mit Auszugsrichtung quer zur Kiellinie eingebauten Schubladen und auch der große Mülleimer sind – nach meiner Auffassung – nun sturmsicher, jedenfalls wenn man die Vorreiber auch benutzt…

Als letzten Akt des Tages probieren wir die leider völlig unbrauchbaren Leesegel der Salonkojen aus, die nicht nur zur kurz, sondern auch viel zu niedrig sind. Selbst Nici’s süßer Po findet keinen Halt in diesen Kojensegeln. Also sende ich noch zwei Mails nebst Fotos und Rechnung für die Vorreiber an Breehorn mit den momentan anstehenden Dingen und Fragen. Danach ist es nach Mitternacht, höchste Zeit für die Koje, in der meine Liebste schon friedlich schlummert.

Auch wenn wir gestern ein wenig „Ruß in der Küche“ hatten, bin ich glücklich und dankbar, eine so attraktive und tolle Partnerin an meiner Seite zu haben.

Heute Abend haben wir teilweise Tränen über flotte Sprüche von ihr, wie z. B. „So, lieber Kiki, jetzt hast Du Dir Dein trockenes Brötchen für heute Abend wirklich verdient“ – nachdem ich alle Vorreiber montiert hatte – gelacht. Zum trockenen Brötchen habe ich (vermutlich wegen guter Führung) tatsächlich auch noch drei Bockwürstchen erhalten.


Unten findet Ihr die ersten Fotos von der NYALA unter Segeln und ein paar Bilder und von den neuen Schubladensicherungen .

Herzliche Grüße aus Kappeln,



Kiki





02.06.2025: Reisebericht Sommertörn 2025, Teil 2 (Helgoland-Brunsbüttel)

Samstag, 31.05.25
Nach dem Festmachen neben der Bremer Segelyacht „Esprit“ an der Nordpier im Hafen wollten wir noch einen kurzen Anlegeschluck trinken. Daraus wurden leider ein paar mehr. Als wir endlich auf die Kojen gehen, war es schon fast wieder hell.
Eine Stunde später wecken uns die Bremer und wollen auslaufen. Jan, Christian und Jürgen verholen uns in die südlichste Ecke der Ostpier, wo wir dann innen allein liegen. 

Mit Ausnahme von Nici sind alle irgendwie „drüber“ (und noch betrunken), so wird nichts aus dem Schlaf. Schon relativ früh sind wir wieder auf den Beinen und machen einen Spaziergang in das Dorf.

Bei Jörg Rickmers gibt es zwar bergeweise Segelbekleidung, was jedoch fehlt ist eine ordentliche Beschlagsaswahl, der Schiffsausrüster Engel hat gerade Mittagspause. Im Dorf bekommen wir weder einen Wasserkessel noch ein paar gescheite Aschenbecher. Einen Tisch für das Abendessen in der „Bunte Kuh“ können wir auch nicht reservieren, komplett ausgebucht. Mehr Erfolg verspricht der „Knieper“, wo es allerdings nur Snacks gibt. Wir entscheiden uns letztlich es auf „Gut Glück“ in der „Bunte Kuh“ zu versuchen und sagen den vorschnell im Knieper reservierten Tisch wieder ab.

Jürgen und Nici erkunden gemeinsam das Oberland, Christian treibt sich allein irgendwo auf der Insel herum und Jan und ich erledigen ein paar seemännische Arbeiten.  Beim Wiederanschäkeln des Aufholers vom Hydrogenerator – hier waren Splint und Bolzen vom Wirbel rausgeflogen – brechen wir unseren schönen, selbstgeschnitzten Flaggenstock ab. Zum Glück lässt sich die Bruchstelle mit Epoxy schnell wieder kleben.

Um 18 Uhr treffen wir uns in der „Bunte Kuh“ zum Dinner, zu dem Nici und ich von der Crew eingeladen werden. Wir essen leckeren Fisch und trinken Bier, Wein und Gin Tonic dazu, natürlich NICHT durcheinander. Um halb neun treten wir den Heimweg an, weil es uns zu kalt auf der Terasse wird. Nach einem netten Klönschnack geht es heute schon um 10 Uhr auf die Koje.


Sonntag, 01.06.25
Um kurz nach sieben sitzen wir bereits bei leckeren Aufbackbrötchen zum Frühstück am großen Salontisch. Zwischen acht und neun soll der Helgoländer Fischer kommen, den Jan gestern mit seiner „Käpt’n Iglo“ als Fotoboot für den Palstektest gechartert hat. Leider versetzt uns der Typ, zum Glück hat Jan nicht im Voraus bezahlt.

Um trotzdem ein paar schöne Fotos vom Boot in den Kasten zu bekommen, geht Jan auf die Ostmole. Das ist zwar streng verboten; alle paar Meter stehen entsprechende Hinweisschilder auf der Mole, aber der Zweck heiligt die Mittel, wenn für den Testbericht im „Palstek“ Ausgabe September 2025 ein paar schöne Fotos gemacht werden müssen.

Mit Christian, Jürgen und Nici lege ich allein ab und als wir Jan auf der Mole erkennen können, setzen wir noch im Innenhafen die Segel, um dann mit einer leichten Brise am Wind zwischen den Molenköpfen gen See stechen. Als Jan uns den nach oben gestreckten Daumen zeigt, kommen die Segel wieder runter. Unter Maschine geht es nun zur Bunkerstation in den Osthafen, wo wir unsere Dieseltanks mit 53 Litern besten Marinediesel zum Preis von nur 1,08 €/l bis zum Stehkragen vollmachen. An anderen Bootstankstellen zahlt man das Doppelte für den Diesel…

Leider stimmen die Windvorhersagen heute überhaupt nicht. Statt vier bis fünf Windstärken aus West haben wir nur zwei und die recht bald nach dem zweiten Ablegen aus Westnordwest. Während der Diesel die erste Zeit nur zum Laden der Batterien läuft (was billiger als der Landstrom auf Helgoland ist), müssen wir ab Beginn des Elbfahrwassers „richtig“ unter Maschine fahren, weil der Wind auf vier bis sechs Knoten abgeflauft hat. Wir haben zwar eigentlich genug Zeit, möchten aber gern nach dem Absetzen von Jan und Christian in Cuxhaven weiter nach Brunsbüttel. In diesem Stück der Elbe, wo der Tidenstrom bis zu vier Knoten beträgt, wäre ablaufendes Wasser völlig blöd.

Um 14:50 Uhr machen wir kurz in Cuxhaven fest, um Christian und Jan abzusetzen und unsere Wassertanks wieder aufzufüllen, die seit Harlingen nicht nachgefüllt werden konnten. Bei der Verabschiedung der beiden Jungs haut mich das Feedback der beiden Jungs völlig um.

Jan (der sowohl meine älteren Boote und ein zwei meiner Exfreundinnen kannte):
„Kiki, Glückwunsch zu dem tollen Boot und Glückwunsch zu Nici, die Frau ist Klasse“

Christian: „Kiki, Du hast im letzten Jahr alles TOTAL richtig gemacht. Vielen Dank für die tollen Tage.“

Nachdem die Tankdeckel wieder zugeschraubt sind, legen wir erneut ab und dampfen nach Brunsbüttel, wo wir sofort in die schon gut gefüllte kleine Nordschleuse einlaufen durften. Insgesamt habe ich zirka Yachten in der Schleuse gezählt, die an beiden Seiten auf der vollen Schleusenlänge im Päckchen lagen.

Zwanzig Minuten später ergattern wir einen prima Liegeplatz im Kanalhafen östlich der Schleuse und sogar der Hafenmeister hat – ausnahmsweise mal gute Laune und motzt nicht, wie oft – nur rum. Nici hat schon das Kochen vorbereitet. Heute gibt es Filetsteaks mit Paprikagemüse und Kartoffelgratin.

Außerdem bekommen wir noch Besuch von Jörg und Willem Bloching aus Glückstadt, die die Midsummersail mit uns segeln wollen. Jörg ist schwer angetang von der Breehorn 44. Außerdem nehme ich mit großer Freude wahr, dass es auch zwischenmenschlich zwischen Jürgen, Nici und den Blochings passen wird, zwischen Jörg und mir sowieso, wir kennen und schätzen uns uns schon mehr als 40 Jahre.

Gegen neun Uhr kommt auch noch Jop Schöning auf einen Sprung vorbei, den ich 1993 in Kopenhagen kennengelernt habe. Auch zu ihm ist der Kontakt seitdem nie ganz abgerissen.

Um halb elf liegen wir zufrieden in der Horizontalen…




30.05.2025: Reisebericht Sommertörn 2025, Teil 1 (Woudsend-Helgoland)

Hier der erste Teil des Reiseberichts über unseren Sommertörn 2025...


Mittwoch, 28.05.25
Für heute steht die Jungfernfahrt der „Nyala“ an.  Nachdem die letzten Restarbeiten erledigt sind, geht es um 12:00 Uhr los. Mit an Bord ist Werftchef Lars, der uns bis Harlingen begleitet. Die ersten zwei Stunden verlaufen wenig spektakulär mit Kanal- bzw. Flussfahrt bis Stavoren, wo wir gegen 14:30 Uhr ins Ijsselmeer einschleusen.

Direkt nach der Ausfahrt aus dem Hafen geht das Groß hoch und die Genua wird ausgerollt. Auf der Olsen hätte ich jetzt mindestens ein Reff eingebunden, doch Lars winkt ab. Bei 15-16 Knoten Wind wird auf der Kreuz noch Vollzeug gefahren.
Mit 25° Lage laufen wir auf Steuerbordbug ganz hoch am Wind Richtung Makkum. 

Mit uns läuft eine X441, ein bekannt schnelles Schiff. Nachdem wir uns ein wenig eingesteuert haben laufen wir etwas weniger Höhe, aber dafür einen leicht höheren Speed. Das Boot geht wunderbar durch die kurze, ijsselmeertypisch kurze Welle. Das Großsegel macht einen sehr guten Eindruck, die Genua ist verschnitten und erinnert mich an das letzte Jahr, wo ich mit einer neuen Genua auch unglüklich war.

Das Achterliek liegt zu früh an der oberen Saling an, wirft im unteren Drittel eine Beule nach außen um dann im Saumbereich deutlich zu krallen, wenn man das Liekbändsel angemessen dicht durchsetzt, was erforderlich ist, um ein sehr deutliches Killen der Achterliekspartie zu verhindern.

Irgendwann scheppert es mächtig unter Deck. Die – zugegebenermaßen - recht schwere  Geschirr-schublade in der Pantry hat sich nicht nur geöffnet, sondern ist gleich aus den Teleskopauszügen raus, einmal quer durch den Niedergangsbereich nach Steuerbord geflogen und hat dort nicht nur zwei Müslischalen in Scherben, sondern vor allem auch etliche tiefe Macken hinterlassen.

Ich bin wütend, zeige dies aber – zur Verwunderung von Nici und Jürgen – nicht und bleibe relativ cool. Ich vermute, dass einer meiner Mitsegler die Schubladen nicht verriegelt hat und würde den vermeintlich „Schuldigen“ am liebsten ans Kreuz nageln. Da Lars aber selbst die Schubladen verriegelt hat, muss es sich um eine konstruktive Schwäche der Schubladenbeschläge handeln. Sehr ärgerlich.

Lars ist das „Debakel“ sehr unangenehm. Sofort schickt er per WhatsApp eine Liste mit Dingen wie Lack, Pinsel, Abdeckband und Schleifpapier an Marc, der ihn in Harlingen abholen soll, um den Schaden am besten schon in Harlingen provisorisch beheben zu können.

Um 20 Uhr machen wir im Noorderhaven von Harlingen längsseits an der Pier fest. Marc steht mit den Materialien parat und lässt sich sofort von Lars in den Mast winschen, um die etwas zu lockeren Zwischenwanten nachzutrimmen.

Nach Abschluss aller dringenden Arbeiten trinken wir uns einen im Cockpit. Der erste Liter Mount Gay und etwa anderthalb Liter Weißwein müssen dran glauben. Anschließend fallen wir in einen tiefen Schlaf.

Donnerstag, 29.05.25
Heute wollen wir nach Helgoland starten. Da wir auf die Tide achten müssen, können wir erst um 14:00 Uhr aufbrechen, was für unsere verkaterten Köpfe auch gut so ist. Es regnet den ganzen Morgen, was unserer guten Laune jedoch keinen Abbruch tut. I

ch widme mich den „Geschirrschubladen-Macken“ und tupfe mit schnelltrocknendem Vorlack die ersten drei Schichten in die Kerben in der Toilettentür, der Wand zur begehbaren Backskiste und in die tiefe Schramme am Boden.

Um 13:50 Uhr werfen wir die Leinen los, als die Brücke gerade aufmacht. Nachdem eine Riesen-Mahalla  von Yacten in den Hafen gefahren ist, geht die Brücke zu, wir müssen eine halbe Stunde warten, was nicht weiter schlimm ist.

Vorsichtshalber binden wir schon ein Reff ins Groß, weil es schon in der Abdeckung der Häuser am Hafen ordentlich weht. Als wir aus dem Hafen rausfahren, bläst es mit bis zu 34 Knoten. Da bleibt das Groß unten. Hoch am Wind fahren wir gen Norden und können teilweise nicht genug Höhe fahren.

Der Wind weht weiter ziemlich heftig Jan und ich überlegen, ob wir es wirklich wagen sollen, bei so viel Wind gegen das letzte ablaufende Wasser durchs Seegat zu gehen. Völlig einvernehmlich entscheiden wir uns nach West Terschelling abzulaufen. 

Nach schneller Fahrt durch das seit einigen Jahren wieder befahrbare Schuitengat legen wir um 16:55 Uhr mit „Schlepperhilfe“ des Hafenmeisters, der uns mit seinem Schlauchboot an das luvwärtige Päckchen drückt, als drittes Schiff im Päckchen im östlichen Hafenteil an. 

Wir sind froh, dass wir uns für Terschelling entschieden haben, trinken einen Anlegewein und machen uns danach auf den Weg ins Städtchen, wo wir ein kleines, aber nettes Restaurant zum Abendessen besuchen. 220 Euronen müssen wir auf den Tisch des Herrn blättern, eine Menge Geld für ein durchschnittliches Essen.

An Bord zurück geht es früh auf die Koje, morgen wollen wir um sechs Uhr los.

Freitag, 30.05.25
Pünktlich um 06:00 Uhr legen wir ab. Der Wind weht immer noch mit fünf bis sechs Beaufort aus West, genau auf den Kopf. Die ersten neuneinhalb Seemeilen aus dem Seegatt müssen wir deshalb Motoren. Dann setzen wir das einmal gereffte Groß und die Genua und gehen zunächst auf Nordkurs, um von den Untiefen westlich von Terschelling klarzukommen.

Wir reffen aus und fahren – verbotener Weise – schräg in das Verkehrstrennungsgebiet, was uns vertretbar erscheint, weil kaum Verkehr ist. Als wir fast aus dem VTG heraussind, ruft uns die niederländische Küstenwache und weist uns freundlich aber bestimmt auf unser Fehlerhalten hin. Wir wissen, dass wir in Deutschland dafür richtig zur Kasse gebeten worden wären und freuen uns, dass uns die Niederländer nur mündlich verwarnen.

Nach dem Passieren des VTG fallen wir auf Kurs 070° ab, reffen aus und baumen die Genua nach Steuerbord aus. So laufen wir den ganzen Tag mit Rauschefahrt bis zu 12 Knoten über Grund bei 15 bis 25 Knoten Wind vor dem Wind gen Osten, passieren alle friesischen Inseln und die Windparks nördlich von Borkum.

Am frühen Nachmittag gibt es einen Rührei-Snack mit Aufbackbrötchen, am Abend Hühnerfrikassée.

Um 21:00 Uhr sind wir mit dem frugalen Mahl fertig und wechseln die Wache. Bis 00:00 Uhr sind Jan und Christian dran; Jürgen, Christian und ich dürfen an der Matratze horchen. Einlaufen werden wir dann voraussichtlich kurz nach Mitternacht gemeinsam. Christian hat übrigens eine ganz neue Atemtechnik entwickelt, die er mit Joga-Übungen vergleicht. Er atmet – noch ganz normal – durch die Nase ein, aber durch den Hintern aus. Der einzige, der das zumindest ansatzweise und auch nur ein einziges Mal hinbekommt, ist Jürgen.

Leider verlässt uns kurz vor Mitternacht der immer noch genau achterliche Wind. Mit sechs Knoten scheinbarer Windgeschwindigkeit ist kein Staat zu machen. Außerdem hätten wir auch nichts dagegen langsam mal anzukommen. 

Also rollen wir zunächst die ausgebaumte Genua weg, werfen dann den Yanmar-Diesel an und bergen zum Schluss auch noch das Groß.

Inzwischen läuft die Tide wieder mit und trotz geringer Drehzahl laufen wir wieder sieben Knoten über Grund. Gegen zwei Uhr sollten wir wohl auf Helgoland einlaufen, wo wir uns gründlich ausschlafen können.

Ein erstes Fazit können wir ziehen: Das Boot ist prima und übererfüllt unsere Erwartungen. Es ist viel schneller als erwartet, hat ein fantastisches Seeverhalten und macht trotz 14 Tonnen Gewicht echt Spaß. Außerdem haben wir eine sehr lustige und prima harmonierende Crew. Was will man mehr?




28.05.2025: Bootstaufe

Viele Zweifler (zu denen ich in den letzten Tagen zugegebenermaßen auch selbst gehörte) haben nicht geglaubt, dass unsere NYALA tatsächlich bis zu meinem Geburtstag fertig würde. Sie hatten Unrecht! Pünktlich um 15:00 Uhr waren (fast) alle Restarbeiten abgeschlossen und Werftcrew, meine Exfrau Ina und meine Tochter Maya, Guido Engels und die Überführungscrew bestehend aus Christian Paschen, Jürgen Breuer und Jan Kuffel klar zur Taufe. Lediglich die Taufpatin Mila de Vries fehlte noch. 

Unmittelbar nach ihrer Ankunft konnten wir die Zeremonie durchführen. Nach einer Dankesrede von mir an die Werftmannschaft konnte Mila, die zauberhafte Tochter von Werftchef Marc, unser neues Boot auf den Namen "Nyala" taufen. Das hat sie sehr liebevoll und ganz prima gemacht. Danach hat sich die Gesellschaft in die Werfthalle verholt, wo wir den Neubau bei Fassbier und Grillfleisch ausgiebig gefeiert haben.

Auch Lars van den Berg hat eine sehr schöne und emotionale Rede gehalten, die mich zu Tränen gerührt hat. Ja, auch ich habe in ihm einen neuen Freund gefunden und bin stolz darauf!

Die Party hat allen wohl richtig gut gefallen und die meisten, ganz besonders die 20-jährige Bootsbauerin Julia, haben mich beim Wort genommen. Keiner ist nüchtern nach Hause gegangen. Noch am Abend haben Lars und Marc die letzten Restaurbeiten erledigt.

Es war ein ganz toller Tag für alle Beteiligten.  Am Mittwoch sind wir dann um 12:00 Uhr zur Jungfernfahrt ausgelaufen. Darüber berichte ich später. Hier ein paar Bilder von der Taufe...




25.05.2025: ToDo-Liste ist wieder länger geworden

Nachdem ich mich gestern von morgens um sechs bis nachts um 03:45 Uhr um diverse "seemännische Arbeiten" gekümmert habe - so bezeichnet mein Freund und ehemaliger Skipper Harm Müller-Röhlck  alle Arbeiten an und unter Deck, die der Sicherheit, Zuverlässigkeit und dem flotten Vorwärtskommen dienen - ist die Yacht fast seeklar.

Gestern habe ich nicht nur meinen schönen Flaggenstock noch zweimal geschliffen und lackiert. In der Achterpiek habe ich eine Halterung für die diversen Leinen und Schoten hingehängt, "Aufhalte-Gummis" für jeden Backskistendeckel gebastelt, 18 klappbare Kleiderhaken im Boot verteilt und last but not least mal gründlich staubgesaugt. Zum Staubsaugen haben wir jetzt statt dem Dyson Akku-Handstaubsauber einen beutellosen 230V-Testsieger von BOSCH an Bord, der richtig gut ist.

Positiv beeindruckt hat mich beim Blick unter die Bodenbretter wie sauber alles verlegt ist. Es fehlen allerdings immer noch viele Dinge, insbesondere aber die Segel. Auch der Autopilot - mit dem ich mich heute mal etwas intensiver beschäftigt habe - streikt (hoffentlich) noch.

Richtig ärgerlich ist, dass die Abdichtung des Backskistendeckels an Steuerbord völlig zu wünschen übrig lässt. Ich bin sicher, dass es bei überkommendem Seewasser schon bei moderater Lage nach Steuerbord zu ernsten Problemen kommen wird. Heute ist mir allerdings eine Idee gekommen, wie man dieses Problem zumindest provisorisch - damit ist bis zum Winterlager gemeint - in den Griff bekommen könnte. Mir ist ein Rätsel, was sich der Bootsbauer, der diesen Mist zu verantworten hat, dabei gedacht hat.

Heute wollte ich eigentlich mit dem Einstauen des ganzen Geraffels anfangen, was in der Halle steht. Eigentlich sollte Marc heute hier sein. Leider hat er sich das wohl anders überlegt, was zum ziemlich nutzlosen Vertändeln des wertvollen Tag gefürht hat. Ich habe dann mal die Auftragsbestätiung mit dem Ist-Zustand verglichen und bin auf ein paar Dinge gestoßen, die nicht wie bestellt ausgeführt wurden.Das wird dann wohl morgen früh diskutiert werden. Statt das Boot auszurüsten habe ich mir dann selbst noch einen richtigen Bock geschossen. Beim Saubermachen der Schapps habe ich den Tresor (mit beiden Schlüsseln drin und noch ohne Strom) versehentlich verriegelt. Mal sehen, wie ich das Ding wieder aufbekommen soll...

Inzwischen halte ich es für gut möglich, dass wir erst mit einem Tag Verspätung, also am Donnerstag hier wegkommen werden, was mich ziemlich ärgert...

Herzliche Grüße



Kiki




22.05.2025: Die ToDo-Liste wird merklich kürzer

Heute gab es überwiegend erfreuliche Neuheiten. Wie auch schon in den letzten Tagen rückte die Werftcrew und - über den Tag verteilt - auch ein paar Zulieferanten an, die (unter anderem) die folgenden Arbeiten erledigt haben:

- Halterung für Gläser angefertigt und lackiert

- Zwischenböden für Oberschränke im Salon mit Schlingerleisten angefertigt

- Aufteilungen für Pantryschubladen angefertigt (werden bei Bedarf selbst montiert

- Padeyes für Spinnakerschoten montiert

- Füllstücke für "Koje" unter dem Dodger angefertigt und zum ersten Mal lackiert

- Halterung für Thermoskannen erdacht und angefertigt, müssen nur noch lackiert werden

- Weitere Checks Elektroinstallation

- Handläufe am Niedergang und Schlingerleisten an Ablage neben dem Niedergang angefertigt und montiert

- Halterungen für Feuerlöscher teilweise angefertigt und montiert

- 230V-Steckdose in begehbarer Backskiste für Gefrierbox montiert und angeschlossen

- Starlink installiert und getestet

- Verdunklungs-Plissés an den Fenstern im Salon, WC, Achterkabine


Ich selbst habe mich um die folgenden Arbeiten gekümmert:

- Abdichtung Durchführung Vorstag vorbereitet (in den Ankerkasten passen nur gertenschlanke Menschen)

- Anfertigung Travellerschoten und Leinenverstellung für Genuaschoten (Rückholgummis kommen morgen)

- Gemeinsam mit Lars Namenszüge auf dem Großbaum montiert

- Heimathafen und Vereinskürzel vom Spiegel entfernt (werden neu in größerer Schrift gemacht)

- Anfertigung Halterung für Hydraulik-Pumpenschwengel aus Teak

- Anfertigung neuer Flaggenstock aus Kambala (siehe Fotos, ist noch nicht ganz fertig)

- Montage Padeyes und Blöcke für Spischot mit Aufstellgummis

- Update ToDo-Liste

- diverse Besprechungen mit Marc, Lars und deren Mitarbeitern

Es war insgesamt ein sehr schöner, harmonischer und erfolgreicher Tag miz einigen positiven Nachrichten. Morgen werden die Teppiche verlegt und mit Glück auch die Polster für Salon und Kartentisch, sowie diverses Kleinmatterial geliefert. Dennoch gab es auch ein paar weniger schöne Dinge:

Beim Platzieren der Schotblöcke für Spinnaker und Gennaker fiel mir auf, dass man mit normalen 10"-Winschkurbeln an den 46er Secondary-Winschen im Cockpit (z. B. für Spi/Genakerschot, Großschot, Genua-Außenschot) nicht "rundkurbeln" kann, weil die Kurbeln dabei am Heckkorb anschlagen. Der Grund dafür liegt daran, dass ich keinen wirklich langen Heckkorb haben wollte. Dass das aber einen solchen Kompromiss erfordern würde habe ich nicht erwartet und schon gar nicht damit gerechnet, dass die Werft das gar nicht soooo schlimm findet.

Direkt darauf angesprochen musste Lars aber zugeben, dass er das auch bemängelt hat. Nun war guter Rat teuer. Aber für alles gibt e eine Lösung. Ich habe vorgeschlagen, dass sich die Werft zu einem erheblichen Teil an einem neuen E-Winscher (elektrische Winschkurbel) beteiligt, was angenommen wurde. Ebenso ist bisher weder meine Bestellung bei Frisch (für die Harken-Rutscher am Vorliek des Großsegels) noch die bei Lindemann bestellten 125m dicker Festmacher eingetroffen.


Für mich besonders schön war die Anfertigung eines neuen Flaggenstocks in dänischem Design. Der Standardstock aus Esche mit Mahagoniknopf gefiel mir nicht wirkich gut. Ich habe Marc dann gefragt, ob ich mir aus einem Stück Kambala selbst einen bauen darf, was er sofort bejaht hat.

Als ich den Rohbau fertig hatte, wollten gleich beide Werftchefs auch so enen schönen Flaggenstock haben, was ich aber aus Zeitgründen ablehnen musste. Jetzt muss das Ding noch am unteren Schaftende exakt rundgehobelt werden.

Beim Schreiben des Blogs ist es jetzt 01:30 Uhr in der Nacht, zufrieden falle ich in die Koje.. Unten findet ihr die aktualisierte ToDo-Liste und ein paar Fotos von herute:








21.05.2025: So much Work to do!

Nachdem ich gestern von guten Fortschritten berichtet hatte, lag ich in der letzten Nacht lange wach und habe überlegt, was schon erledigt ist und was noch zu tun ist. Beim Hellwerden bin ich dann aufgestanden und habe systematisch die Punkte aufgelistet die in den Bereichen Deck, Ausbau, Elektrik und Elektronik noch erledigt werden müssen. Um halb sieben habe diese - fast 80 Punkte umfassende -  Liste (siehe PDF-Datei unten) per Email an beide Werftchefs geschickt und um eine kurze Besprechung nach der Frühstükspause gebeten.

Etwa eine halbe Stunde später kam Marc mit meiner Liste an Bord - ohne Bestätigung des Gesprächstermin. Alle Mitarbeiter wussten jedoch schon von der Liste, offensichtlich hat Lars gleich einigen Mitarbeitern Aufträge dazu erteilt. Einige Punkte hat er mir auch zur Erledigung zugedacht. Der schwierigste davon ist die Abdichtung der Vorstagsdurchführung durch das Deck für die ich nur eine recht unbefriedigende Lösung gefunden habe und nicht einmal sicher bin, dass diese dann auch funktionieren wird.

Immer wieder wurde ich heute von den Chefs oder MItarbeitern gefragt, wie ich denn dieses oder jenes Problemchen gelöst haben möchte. So bin ich zum Beispiel viermal schon auf dem Weg ins Werftlager gewesen, um die Töpfe, Pfannen und Gläser zu holen, um die Aufteilung der Schubladen zu überlegen, das Geschirr hatten wir gestern schon provisorisch eingeräumt. Immer wieder wurde ich durch Zwischenfragen unterbrochen.

Am Nachmittag haben wir dann einen guten Platz für die recht große, SOLAS-zertifizierte, Rettungsinsel gesucht. Alle Ideen von Lars und mir waren entweder aufgrund des Platzbedarfs oder aber wegen Einschränkung der Sicht nach vorn durch den Dodger wenig praktikabel. Schließlich haben wir uns entschlossen, die Rettungsinsel unten in der Segellast zu lagern und mit dem Spinnaker, Gennaker und der Kutterfock zu begraben - wohlwissend, dass die Insel eigentlich im direkten Zugriff sein sollte. Mein Argument, dass Menschen mit Angst besonders schnell und stark sind hat auch Lars überzeugt. So ist die Insel wenigstens nicht der starken UV-Strahlung ausgesetzt und bleibt im Normalfall relativ trocken. 

Ich habe dann ein kleines Heißgeschirr gespleißt, an dem man das Ding aus der Segellast hieven kann. Zwischendurch waren die Persenningmacher da, die mit "Rohbau-Bügeln" für das Bimini-Gestänge bewaffenet waren. Auch das Biminigestänge ist nicht ganz trivial, weil auf dem Cockpitsüll auf beiden Seiten drei Winschen stehen, bei denen man mit der 10"-Kurbel ja möglichst "rundkurbeln" können soll. Das führt dann dazu, dass die Bügel so platziert werden müssen, dass der Einstieg vom Deck kommend ins Cockpit relativ eng wird.

Auch die Höhe reduzieren wir von zunächst angedachten 2,00 m auf 1,86m. Die meiste Zeit steht man(n) ja nicht im Cockpit und Frau passt immer aufrecht stehend darunter. Die hohe Version hätte miserabel ausgesehen.

Um 16:00 Uhr macht die Belegschaft Feierabend und hinterlässt einen echten Saustall unter Deck, was ich nicht lustig finde. Auf der anderen Seite ist mir das immer noch lieber, als wenn die Bootsbauer und Tischler schon eine halbe Stunde später aufhören zu arbeiten, weil sie aufräumen sollen. Lars und arc arbeiten bis 19:00 Uhr weiter. Gemeinsam besprechen wir noch ein paar Detaillösungen. Immerhin haben die Chefs ihren Kram halbwegs ordentlich weggeräumt.

Nachdem alle von Bord sind fällt mir auf, dass ich seit sechs Uhr am Morgen nichts mehr gegessen habe und in der Frühe war es auch nur eine Zimtschnecke von vorgestern. Also setze ich mich auf mein Bordfahrrad und radle ins Dorf zur nächsten Snackbar, wo ich mir ein "Schnitzel speciaal" mit geschmorten Paprika, Champignons und Zwiebeln, Pommes und einen kleinen Salat gönne. Als Appetizer gibt es vorweg ein Frikandel Speciaal, pappig und fleischarm wie immer und überhaupt nur dank einer Menge Zwiebeln, Mayo und Currysauce überhaupt genießbar.

Zurück an Bord wird es Zeit für ein größeres Geschäft - noch ohne Tür vor dem WC. Beim Hinsetzen auf die Schüssel stoße ich mir ordentlich an einem der Edelstahlriegel des zu öffnenden Fenster den Kopf und ziehe mir eine gottlob nur leicht blutende Platzwunde auf der Schädeldecke zu.

Nach dem Nachbearbeiten der heute gemachten Fotos und Blog-Schreiberei ist es 23:00 Uhr, Zeit für die heute wohlverdiente Koje. Vorher nehme ich die erste Dusche an Bord, was nach drei Tagen Katzenwäsche dringend erforderlich ist. Ich kann mich schon selbst nicht mehr riechen... Leider gibt es in der Werft momentan nur eine Kaltwasserdusche, weil der Boiler streikt.

Mit knapp 19 Stunden war das heute ein endlos langer Tag...








20.05.2025: Es geht gut voran...

Am Montag gleicht die NYALA einem Ameisenhaufen. In der Achterpiek passt ein Werftmitarbeiter geduldig und sehr akribisch die Bodenbretter an, unter Deck macht eine Bootsbauerin die Stauräume sauber, zwei weitere bauen Möbelteile ein und an Deck verbohrt ein weiterer Bootsbauer die Relingstützen mit den Füßen und fertigt später dann die Relingsdurchzüge an.

Auch Vester und Marco von Tuned Riggs sind inzwischen vor Ort und bauen den wunderschön gebauten Axxon Mast zusammen. Ich hatte ja schon auf der Baltic und der Olsen sehr schöne Carbonmasten von Nordic (heute Southern Spars), der neue Mast ist aber in vielen Details noch mal eine ganze Spur schicker. Stören tut mich nur ein kleiner „Dracula Spars“-Aufkleber am Mastfuß, der wohl eher scherzhaft gemeint ist und auf die transsylvanische Herkunft von AXXON hinweist. Dieser Sticker wird gleich entfernt.

Nici und ich entladen die Ladung von Zugfahrzeug und Anhänger auf ein fünf Paletten um, die wir in die Werkhalle stellen dürfen und fahren dann gemeinsam nach Sneek, um dort ein paar Einkäufe zu machen und schon mal zu schauen, wo der Bahnhof ist. Auf dem Rückweg holen wir noch bei Jaarsma die Matratzen für die Vorschiffskoje ab, die wir kaum ins Auto bekommen.

Am Nachmittag überlege ich mit Lars, wie wir die von mir bemängelten Dinge aus der Welt bekommen und finden auch hier für alles eine gute Lösung, mit der wir beide leben können. Die fehlenden Ventilatoren und die zusätzlichen Taster für die Elektrowinschen hat Marc auch schon bestellt. Am frühen Abend steht auch der Mast provisorisch.

Als wir unsere Beratschlagung beendet haben ist auch die Platte des Salontisches eingebaut und der Tisch zeigt sich zum ersten Mal in voller Größe und Funktion. Total gut! Zum Herausholen von Getränken und Zubehör für das Frühstück braucht keiner mehr aufstehen...

Beim Messen der Vorstagslänge fällt den Riggern auf, dass der durch den Steven geschraubte Pütting für das Vorstag modifiziert werden muss, damit die Unterdeckstrommel der Rollgenua vernünftig fluchtet, was sie momentan nicht tut. Auch das ist kein größeres Problem.

Leider haben alle Fallen statt der von mir ausdrücklich bestellten acht nur zwei Meter Überlänge, zu wenig, um sie mehrfach kürzen zu können. Ich schlage vor, dass Vester – statt alle Fallen auszutauschen – drei Reservefallen in ausreichender (maximaler) Länge liefert, womit das Thema für mich erledigt ist. Wir sind beide zufrieden, dass wir auch in diesem Punkt eine pragmatische Lösung gefunden haben.

Um 19:00 Uhr fahren Nici und ich ins Dorf, um den Tag in einem netten Restaurant zu beenden und diesen zwar anstrengenden, aber für uns dennoch sehr schönen Tag bei einem guten Essen ausklingen zu lassen. Unser leckeres Schollenfilet genießen wir in der langsam untergehenden Sonne bei einem leckeren Glas Weißwein. Wir können noch kaum fassen, dass unser Traumboot fast fertig ist und wir gleich das erste Mal in unsere kuschelige Koje steigen dürfen.

Zurück an der Werft treffen wir Lars und seine Frau, mit denen wir dann auf der Breehorn 48 „Laaxum“ von Lars noch die von Lars am Nachmittag an Nici übergebene Flasche Chardonnay trinken. Gegen halb elf geht es auf die Koje; Nici muss morgen spätestens um fünf losfahren, weil sie in den nächsten Tagen noch eine Menge zu erledigen hat.


Der Dienstagmorgen startet mit guten und schlechten Nachrichten. Die gute Nachricht ist, dass die Fenster für den Dodger endlich auf dem Weg nach Woudsend sind und eigentlich spätestens am Freitag an der Werft eintreffen sollten. Auch der Pütting für das Vorstag ist schon modifiziert worden und kann wieder eingebaut werden.

Um nicht nur dumm rumzustehen und kluge Kommentare abzugeben beschrifte ich schon mal die Hebelklemmen am Mast, lege mir die von mir gewünschten Favoritenseiten auf den Raymarine i70-Multifunktionsanzeigen an und fertige mir eine ganze Anzahl von Loops, mit deren Hilfe ich die Fall-schäkel in der Fußreling einhängen kann, ohne die Alu-Fußreling zu vermacken.

Gegen Mittag kommen auch Vester und Marco an, die zunächst das Vorstag zusammenbauen und einhängen. Danach ist erst die Hydraulik dran und ein paar kleine Restarbeiten sind auch noch am Rigg zu machen. Nach der Ankunft der Rigger fällt mir auf, dass ich heute bisher nur ein „Nuttenfrühstück“, bestehend aus Zigaretten und Cola hatte. Jetzt gönne ich mir auch ein Päuschen und schmiere mir ein paar ordentliche Butterbrote.

Beeindruckend für mich ist die unglaubliche Ruhe, mit der alle Mitarbeiter zu Werke gehen. Keine Hektik und gar keinen Stress aufkommen lassen… Ganz gemütlich geht der Nachmittag rum und irgendwann sind auch die Rigger mit Ihrer Arbeit fertig. Ich freue mich schon auf die erste Dusche unter Deck, die ich mir heute mal gönnen werde...

Unten findet Ihr ein paar Fotos der letzten beiden Tage...

Herzliche Grüße,



Kiki




18.05.2025: "NYALA" schwimmt!

Gegen 13:00 Uhr kommn wir nach dreistündiger Fahrt mit dem Anhänger in Woudsend bei Breehorn an und wundern uns zunächst, das das Einfahrtstor der Werft schon offen ist. Als ich auch noch auf der Wasserseite ein offenes Hallentor sehe schwant mir, dass unser Boot schon schwimmen könnte, weil es zumindest nicht sofort sichtbar in der großen Werkhalle steht.

Nachdem wir um das Gebäude gefahren sind (um den Anhänger abzustellen) sehen wir, wie das Hallentor gerade zugefahren wird. Nach kräftigem Hupen geht das Tor wieder auf und Marc kommt uns - mit einem Becher Gelcoat bewaffnet leicht grinsend entgegen.

Tatsächlich schwimmt die "NYALA" seit einer guten Stunde und ist wohl auch dicht. Eigentlich muss Marc sofort weg, weil er mit seiner Familie zu einer Geburtstagsfeier muss. Dennoch nimmt er sich kurz Zeit und geht mit uns unter Deck, um einen Blick ins Schiff zu werfen. Inzwischen sind auch die Toilette, der Herd und der Sockel vom Tisch eingebaut. Im Sockel lacht uns der große zweite Kühlschrank an, der direkt über die Tischplatte zugänglich sein wird. Super!

Im Vorschiff gewinnen wir einen ersten Eindruck von unserer wirklich fürstlich großen Vorschiffskoje. Bedenken hatte ich bei den nach oben zu öffnenden Hängeschränken, weil ich Sorge hatte, dass diese sich bei Lage von selbst öffnen könnten. Diese Sorge war aber absolut unberechtigt, weil die Werft sehr solide und gut bedienbare Verschlussbeschläge völlig unsichtbar (unter den Schrankböden) eingebaut hat. Solche Beschläge habe ich bisher noch auf keinem Boot gesehen, eine wirklich exzellente Lösung.

Auch das Deckslayout überzeugt mich. Das Steuerrad ist groß genug, um auch von der Kante oder in Lee sitzend vernünftig steuern zu können, dazu ist das Ruder überraschend leichtgängig. Klasse.

Allerdings fallen mir auch ein paar Kleinigkeiten auf, die in den nächsten Tagen noch modifiziert werden müssen:

- Die Bedienknöpfe der elektrischen Genuawinschen sind für den Steuermann nicht zugänglich, weil an der Achterkante des Dodgers montiert

- Der Namenszug auf dem Spiegel ist mir zu klein (kann aber so bleiben)

- Der Bugspriet ist mir zu klobig und außerdem fehlt die besprochene und bestellte Bugleiter, um bequem vom Steg an Deck zu kommen

- Am Kopfende der Vorschiffskoje fehlt mittschiffs noch ein kleiner Tritt, damit auch Nici bequem aus ihrer Koje und wieder rein kommt

- Die Festmacher sind mir zu dünn

Leider dürfen wir den Anhänger noch nicht leer machen und an Bord verstauen, weil morgen noch einige Tests gemacht werden sollen. Wir hoffen, dass wir das zumindest dann morgen Abend erledigen können, bevor Nici wieder nach Hause fährt. Deshalb fahren wir nach einer Stunde an Bord (und vor und neben dem Schiff) weiter nach Heeg, wo uns Nici ein Zimmer in einem schnuckeligen Hotel an einem kleinen Kanal mit Blick aufs Wasser gebucht hat.

Bevor ich gleich ein Mittagschläfchen mache, wollte ich Euch noch ein paar Fotos in den Blog stellen. Ich bin überrascht, wie gut die Webseite inzwischen frequentiert ist. Allein gestern gab es 80 Besucher, die ich sehr gern auf dem Laufenden halte.

Herzliche Grüße aus Heeg


Kiki und Nici





 

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